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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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ein ziemlich fulminantes Feuerwerk aufgebaut, aber die, der es galt, scheint keinen Wert darauf zu legen. Was meint ihr, brennen wir es ab und geben dazu euch beide als Verlobte bekannt?«
    Anavera wollte protestieren, sie könne nicht Josefa das Feuerwerk stehlen, doch Tomás schob einen Finger unter ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. Seinen Blick verstand sie sofort. Sie durften der Mutter den Wunsch nicht abschlagen. »Klingt großartig, Schwiegermutter Kathi«, sagte Tomás und sandte ihrer Mutter ein Lächeln, für das Anavera ihn küssen wollte. »Aber zuerst lassen wir die hungrigen Massen auf diesen Berg von Köstlichkeiten los, nicht wahr?«
    Er war wundervoll. Er schaffte es, Menschen ihre Sorgen zu erleichtern, weil jeder Einzelne ihm wichtig war. Vor allem das machte einen so begabten Maler aus ihm, sein waches Interesse an dem, was Menschen im Innersten beschäftigte. Auch bei der Mutter tat sein Charme seine Wirkung. Ihre Züge entspannten sich. »Recht hast du«, rief sie und fuhr ihm flüchtig durchs Haar. »Meine Gäste verhungern, und mein frisch verlobtes Paar hatte noch nicht einmal einen Tanz für sich. Auf, auf, macht, dass ihr wegkommt!« Mit beiden Händen vollführte sie die Bewegung, mit der man Tauben verscheucht.
    Durch Anaveras Kopf schossen tausend Bedenken, doch sie vergaß sie, sobald sie mit Tomás auf der Tanzfläche stand. Gerade kündigte der Trompeter einen weiteren Vals an. Er passte so gut zu ihrer zusammengewürfelten Familie, dieser Tanz, der nicht ganz europäisch und nicht ganz mexikanisch war und doch den Pulsschlag von beidem in sich vereinte. Hinter Vicente und seiner Chantico stellten sie sich zur Promenade auf. Vicente drehte sich um und grinste ihr anerkennend zu. Er war siebzehn und größer als Tomás, doch für sie war er noch immer ihr kleiner Bruder, der häufiger in die Sterne als auf die profane Erde schaute. Dass er flirtend ein Mädchen in den Tanz führte, kam ihr unglaublich vor.
    In dem Herzschlag, in dem die Musik einsetzte, warf Tomás ihr einen Blick zu. »Glücklich, Armadillo?«
    »Ja!«, rief Anavera, und diesen einen Herzschlag lang war sie tatsächlich nichts anderes. Es war ein Herzschlag, um die Welt zu umarmen, einer, in dem es nur den Lichterglanz der Lampions gab, die Musik, die sie wiegte, und Tomás. Tanzen war wie reiten – man konnte sich ganz verausgaben, dem Körper alles abverlangen, bis der Schweiß rann und der Atem schwer ging, man konnte spüren, wie die Muskeln erschlafften und doch im nächsten Takt sich wieder aufrafften und aus dem letzten Funken Kraft noch einmal eine lodernde Flamme machten, die weitertrug, in eine Drehung nach der anderen. Wenn sie nach der Promenade in Halbkreisen umeinandertanzten, folgte Tomás ihr mit den Augen, und wenn sie einander endlich halten durften, zog er sie an sich und berührte mit den Lippen ihre Stirn.
    Josefa hätte nicht gefallen, wie sie sich in die Bewegungen warfen, wie sie die vorgeschriebenen Figuren vergaßen und sich einfach der Musik überließen, aber für sie beide war es ein himmlisches Vergnügen. Die Paare vor und hinter ihnen wechselten, Anavera und Tomás hingegen ließen keinen Tanz aus, bis die Musik mit einem letzten Tremolo verstummte. Die Jungen und Mädchen mit den Tabletts schwärmten von neuem aus, um Getränke und Knabbereien herumzureichen, und Anaveras Mutter sprang auf die Veranda, verscheuchte die Esser vom Büfett und beugte sich über die Balustrade. Anavera sah Köpfe, die sich drehten und nach Josefa Ausschau hielten. Spätestens jetzt hätte die Hauptperson der Nacht auf der Bildfläche erscheinen müssen, aber niemand kam.
    »Liebe Freunde!«, rief die Mutter über den Tanzplatz hinweg. »Euch alle hierzuhaben ist ein Höhepunkt für sich. Aber es soll nicht der einzige bleiben. Heute Nacht fallen Sterne vom Himmel, um uns unsere Wünsche zu erfüllen. Lasst uns ein paar davon wieder hinauf in die Unendlichkeit senden.«
    Kaum hatte sie fertig gesprochen, schlug der Musiker an der Huapanguera einen wilden Wirbel von Akkorden an. Gleich darauf ertönte ein Knall, und dann schoss die goldglänzende Kaskade eines römischen Lichts über das Dach des Hauses hinweg und in den sternenübersäten Himmel. Liebespaare rückten enger zusammen, und Kinder sprangen johlend in die Höhe, als ließe sich einer der entfliehenden Funken fangen. Auch Tomás legte den Arm um Anavera und zog sie näher zu sich.
    »Ich habe euch eine Nachricht zu überbringen, die mich

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