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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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sozusagen ihr Debüt bei uns.«
    Jaimes Blick hing am Gesicht des Mädchens, das in den Armen des Barbaren durch die Drehungen schwebte. Jetzt sah er, was ihm vorhin im Magen rumort hatte. Der Mann tanzte nicht nur mit ihr, sondern hielt sie auf zärtliche Weise umfangen, und sie überließ sich ihm ebenso vertrauensvoll wie zuvor Dolores de Vivero. Jaime, der nicht wusste, wie und warum man liebte, erkannte das Gebaren der Liebe ohne jeden Zweifel. Die Blonde war die Tochter des Barbaren, und er liebte sie. Sein Feind, der bisher aufgetreten war, als pfiffe er sich ein Lied auf die Belange der Welt, hatte ihm seine verletzliche Flanke gezeigt. Er überreichte ihm auf dem Silbertablett eine Waffe, die so vernichtend war, dass selbst Jaime der Atem stockte.
    Kaum verhallte der letzte Wirbel des Walzers, stand er auf und überquerte die Tanzfläche. Irgendein klappriger Narr vom Tisch seiner Nachbarn hüpfte vor das Mädchen hin und tippte albern auf ihren Fächer, auf dem vermutlich sein Name stand. Ohne Federlesens wischte Jaime ihn aus dem Weg und deutete eine Verbeugung an. »Sie erlauben, dass ich mich vorstelle, Señor Gobernador? Jaime Sanchez Torrija. Mein Vater dürfte Ihnen bekannt sein.« Zum ersten Mal stand er Auge in Auge mit dem Barbaren. Jeglicher Aberglaube, Humbug über schwarzmagische Kräfte in den Söhnen der Azteken, war ihm zuwider, und doch rann etwas ihm den Rücken hinunter. Die Augen des Mannes wichen seinen nicht aus – nachtschwarze Kohle, unter der unlöschbare Glut schwelte. Flüchtig war ihm zumute, als dringe der Blick des Mannes ihm in den Kopf. Seine Schultern verkrampften sich. »Ich möchte Ihre reizende Tochter bitten, mir den nächsten Tanz zu schenken«, sagte er, um den Unsinn abzuschütteln. »Leider hatte ich vorhin keine Gelegenheit, mich beizeiten um diese Gunst zu bewerben.«
    Das Gesicht des Barbaren veränderte sich. Mit einem Lächeln, das sich in den Glutaugen spiegelte, wandte er sich der beiseitegedrängten Klappergestalt zu. »Dürfen wir Sie in diesem Fall um Verzicht bitten, Don José? Wo es um das zauberhafteste Mädchen des Abends geht, müssen wir alle lernen zu teilen.« Das Klappergespenst beeilte sich zuzustimmen, und Alvarez wandte sich wieder Jaime zu. »Wir bedanken uns für die Ehre«, sagte er mit einer stillen Art von Stolz und küsste die Hand seiner Tochter. »Kommen Sie, Don José. Trösten wir uns beim Wein.« Damit führte er das Gespenst von der Tanzfläche.
    Ich werde dir weh tun, dachte Jaime hinter ihm her. Um ein Haar hätte er geglaubt, der Barbar habe etwas mit ihm selbst gemein – die Gefühllosigkeit, die unverwundbar machte –, aber ein Blick hatte ihn eines Besseren belehrt. Die vor Leben funkelnden Augen des Mannes waren ein lächerlich offenes Buch – Vaterliebe. Allein das Wort bereitete Jaime Übelkeit und sandte einen krampfenden Schmerz in seine Schultern. Aber der Barbar würde ihm dafür bezahlen – hundertfach. Du selbst hast mir die Peitsche in die Hand gegeben, dachte Jaime, und von dem Schlag wirst du dich nicht mehr erholen.
    Dann stand er vor der rotgewandeten Blonden, und das Vorspiel des Walzers setzte ein. Etwas musste er zu ihr sagen, und es gab eine ganze Reihe von Phrasen, die sich zu solchem Anlass bewährt hatten. Er sah in ihr blasses, verschrecktes Gesicht, und statt des zurechtgelegten Satzes platzte er heraus: »Versprechen Sie mir eines, tragen Sie nie mehr Rot.«
    »Aber ich …«
    Der Auftakt ertönte. Jaime fasste sie um die Taille, und mit der Präzision, mit der man einen kostbaren Gegenstand behandelt, neigte er sie in die Figur. Sie überraschte ihn, indem sie sofort Fuß fing. Er hatte es mit Damen aushalten müssen, die sich einen ganzen Walzer lang tolpatschig schleifen ließen. Die kleine Mestizin hingegen passte sich gewandt seiner Führung an und ging mit. Den Kopf hielt sie dabei aufrecht, wie es sich gehörte, und wandte den Blick keinen Herzschlag lang von seinem Gesicht.
    »Aber ich«, begann sie noch einmal, dann schüttelte sie den Kopf.
    »Was ich?«, fragte er.
    Ihre Augen waren riesig. Aufgerissen wie bei einem Kind. »Ich habe mir so sehr gewünscht, mit Ihnen zu tanzen«, sagte sie. »Ich weiß, es wird gleich vorbei sein, da will ich es mir nicht mit meinem Schwatzen ruinieren.«
    »Es wird nicht gleich vorbei sein«, erwiderte Jaime. »Sie tanzen den ganzen Abend mit mir.«
    Nah bei seinem spürte er ihren Herzschlag, wild und heftig wie ein gefangener Vogel. An ihrem

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