Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
Handgelenk glänzte ein Goldreif von fremder, seltener Schönheit.
»Aber ich«, begann sie noch einmal, brach jedoch wieder ab und sagte: »Es tut mir so leid.«
Er wollte ein Lächeln aufsetzen, das bei Frauen nie seine Wirkung verfehlte, aber das Lächeln verweigerte sich. »Was tut Ihnen leid?«
»Alles«, beteuerte sie. »Dass ich Ihnen Scherereien gemacht habe. Dass ich betrunken war. Dass ich ein Kleid trage, das Ihnen nicht gefällt, und dass ich gar kein anderes habe.«
»Ich lasse Ihnen eines schicken.« Blau, hatte er sagen wollen, solche Elfenwesen machten sich am besten in einem blassen Ton von Blau. Ihre Riesenaugen starrten ihm entgegen. »Ein grünes«, sagte er. »Versprechen Sie mir, dass Sie von heute an Grün tragen.«
Nach dem Tanz hätte er der Form halber den Barbaren fragen müssen, ob er weiter mit dessen Tochter tanzen durfte. Wenn unter den Idioten, die in ihrem Programm standen, Weiße waren, konnte er sich in dieser maßlosen Stadt sogar ein Duell an den Hals holen. Aber der Barbar war spurlos verschwunden, und alle anderen scherten ihn nicht. Er tanzte weiter mit ihr.
»Ich versprech’s«, wisperte sie.
»Was?«
»Grün.« Beteuernd nickte sie auf ihr Kleid hinunter. Auch sie lächelte nicht.
10
»Mein herzallerliebster Armadillo,
eigentlich sollte es ein Vergnügen sein, an Dich zu schreiben, und eigentlich wollte ich Dir von uns allen alberne Zeichnungen beilegen, aber soll ich Dir etwas sagen? Es ist kein Vergnügen, an Dich zu schreiben, und zu albernen Zeichnungen fehlt mir ganz und gar der Schwung, weil ich Dich so sehr vermisse und bei jedem Strich mit der Feder denke, dass er nicht ist, was ich will, nicht einmal ein Ersatz. Wie kann denn ein Strich mit der Feder einem Mann Ersatz sein, der sein lebendiges, zappeliges Mädchen in den Armen halten will?
Ach, mein Täubchen, ich kann Dir nicht sagen, wie sehr ich mir wünsche, Dich bei mir zu haben, und wie oft ich überlege, ob ich Dich nicht besuchen kommen könnte. Nur die Lage hier hält mich ab und mein Gewissen vor Miguel. Dabei kann ich anders als Dein Vater nicht einmal etwas tun, aber ich habe eben das Gefühl, ich müsse hier sein, für den Fall, dass er mich braucht.
Habe ich Dir je erzählt, was Miguel mir bedeutet? Als er hierherkam und bei uns wohnte, war ich ein pickliger Steppke, überzeugt, dass meine Kritzeleien nichts taugten und man mich an der Akademie nur aus Respekt vor meinem Vater nehmen würde. Miguel war es, der mir geduldig beteuerte, ich hätte mein eigenes Talent, und der mir schließlich vorschlug, mich unter falschem Namen zu bewerben. Ohne Miguel hätte ich nie gewagt, mich Maler zu nennen, und in den Jahren darauf wurde er mein bester Freund.
Immer wieder sage ich mir, ich hätte als Freund mehr für Miguel da sein müssen. Jetzt höre ich Dich lachen, Armadillo, und natürlich, Miguel ist älter als ich und steht selbst seinen Mann, aber er ist weltfremd, weißt Du? Er schreibt einfach auf, was ihm im Innersten brennt, setzt es in seine Zeitung und denkt nicht an Gefahr. In der letzten Zeit, als er sich so sehr zurückzog und immer verschwiegener wurde, hätte ich aus ihm herausbringen müssen, was in ihm vorging. Ich habe nicht einmal gewusst, dass ihn das, was er in den Slums erlebt hat, so sehr quält. Immer wieder denke ich: Hätte ich weniger an meine eigenen Siebensachen und an ein allerliebstes Tierchen namens Armadillo gedacht, dann säße Miguel jetzt nicht in diesem Gefängnis, in dem ein Cholera-Ausbruch auf den anderen folgt. Ach, mein Liebstes, ich habe alles so leichtgenommen und war sicher, in ein paar Tagen ist Miguel wieder frei, aber jetzt sind zwei Monate vergangen, und mit jedem Tag wächst die Angst. Nicht nur davor, dass Miguel krank werden und sterben könnte, sondern auch davor, dass sie ihn dort drinnen zerbrechen. Miguel ist ein wunderbarer Mensch, der empfindsamste, den ich kenne, aber das macht ihn zerbrechlich. Manchmal wünschte ich, ich könnte mich an seiner Stelle in diese Zelle stecken lassen.
Wie geht es Abelinda? In etwa vier Wochen müsste das Kind kommen, richtig? Bitte schreib mir doch etwas von ihr – Dein Vater, der Miguel vertritt und wenigstens kleine Vergünstigungen für ihn herausschlägt, darf ihn manchmal sehen, und gewiss freut es ihn, wenn er dann von seiner Familie hört. Es kann ja für einen Mann keinen besseren Trost geben als seine Familie, die zu ihm hält. Ich weiß, man sagt uns Künstlern nach, wir wüssten nichts von Treue,
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