Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
wies auf Porfirios leeren Stuhl.
Benito bat den Kellner um ein weiteres Glas, ehe er den Vorhang hinter ihm schloss. Er schenkte den blutroten Wein ein und reichte dem Conde das Glas. »Sehr aufmerksam«, sagte dieser. »Aber es kommt mir nicht angemessen vor, wenn Sie mich bedienen.«
»Würden Sie mir erlauben, Ihnen Wein einzuschenken, wenn ich weiß wäre?«, fragte Benito und hasste sich dafür.
Der Conde setzte sich und hob das Glas. »Sie haben recht. Bitte entschuldigen Sie. Ich habe nicht im mindesten den Wunsch, Sie zu kränken.«
»Ich auch nicht«, erwiderte Benito aufrichtig. Ihre Blicke trafen sich.
»Ich glaube, das weiß ich«, sagte der Conde. »Andernfalls hätte ich wohl kaum den Mut, Sie um dieses Gespräch zu bitten. Nicht unter Politikern, sondern unter Vätern, Señor.«
Benito senkte den Blick auf sein Glas, das er mit beiden Händen umfasst hielt. »Ich möchte Sie bitten, das Gespräch zu verschieben«, sagte er. »Ich möchte Sie bitten zu warten und, wenn möglich, zu vertrauen, weil ich Ihnen jetzt nichts sagen kann. Aber das wäre grausam, nicht wahr?«
»Ja, das wäre es. Ich habe schon lange gewartet, Don Benito. Tag für Tag habe ich darauf gehofft, dass entweder das warmherzige Mädchen, das ich in meiner Tochter kenne, oder der Ehrenmann, den ich in Ihnen kenne, sich an mich wendet und mich ins Vertrauen zieht.«
»Ich kann Sie nicht einmal um Verzeihung bitten«, sagte Benito. »Das, was wir Ihnen antun, wiegt zu schwer dazu. Ich bitte Sie aber, es nicht Ihrer Tochter anzulasten. Was Sie auszuhalten hat, ist hart genug, und sie wird Sie ins Vertrauen ziehen, sobald die Lage es zulässt. Ihre Tochter ist eine großartige junge Frau, Don Teofilo.«
Der Conde nickte und trank von seinem Wein. »Und Sie sind ohne Zweifel ein großartiger Mann. Ich kann meiner Dolores nichts verdenken. Dass der Reiz des Andersartigen, der schöne, fremde Zauber auf ein unerfahrenes Mädchen seine Wirkung ausübt, ist nur allzu verständlich.«
Benito sprang auf. »Ist es das, was Sie glauben? Dass Dolores zu den gelangweilten höheren Töchtern gehört, die der Lockung eines exotischen Abenteuers verfallen, weil es ein wenig Kitzel in ihr Leben bringt? Kennen Sie Ihre Tochter so wenig? Dolores ist klug, Señor. Sie ist auch beispiellos mutig, aber sie würde nicht alles, was sie hat, aufs Spiel setzen, nur weil es sie zur Abwechslung nach braunem Fleisch gelüstet statt nach weißem.«
»Für Ihren letzten Satz sollte ich Sie ohrfeigen, finden Sie nicht?«
»Ja«, gab Benito zu, wohl wissend, was das bedeutete. Eine Ohrfeige war mehr als ein entwürdigender Schlag ins Gesicht. Sie war eine Forderung. Auf Leben und Tod. »Ich entschuldige mich«, sagte er und setzte sich wieder. »Glauben Sie mir bitte, dass ich Ihrer Tochter ein Kompliment machen wollte, nicht sie beleidigen. Dolores ist nicht viel älter als meine Josefa, und sie wollen beide dasselbe – sich in einer Welt erproben, die wir Männer ihnen verweigert haben. Ihre Klugheit, ihren Witz, ihre Findigkeit beweisen und sich den Platz im Leben erobern, den sie sich gewählt haben. Mein Sohn will Physik studieren und astronomische Forschungen anstellen. Ich bin darauf stolz. Warum sollten wir weniger stolz darauf sein, dass unsere Töchter die Weltläufe studieren, journalistisch schreiben oder sich ins politische Geschäft mischen wollen?«
»Und Sie glauben, das alles weiß ich nicht?«, brach es aus dem Conde heraus. »Dolores ist siebenundzwanzig, sie ist schön wie der Sonnenuntergang, und sie hat bisher jeden Bewerber abgewiesen, weil sie ihr alle zu dumm waren. Statt sie zu zwingen, habe ich ihr freie Hand gelassen, und wissen Sie, was das Schlimmste ist? Dass ich froh war, als sie begann in Ihren Kreisen zu verkehren, Ihre Schriften zu lesen und von Ihnen zu schwärmen. Ich habe gedacht: Der Weg, den sie einschlägt, ist nicht einfach, schon gar nicht in diesen Zeiten, aber sie zeigt, dass sie fähig ist, ihre Wahl zu treffen, dass sie das Herz und den Verstand dazu besitzt. Das Schlimmste ist, dass ich sie Ihnen geben würde, wenn Sie mit ehrbaren Absichten kämen. Dolores wäre nicht die Erste, die einen Mann heiratet, der ihr Vater sein könnte, und zumindest hätte sie jemanden an ihrer Seite, der ihr das Wasser reichen kann. Dass Sie meiner Tochter jedoch die Ehre rauben, ohne es aufrichtig mit ihr zu meinen, schmerzt mich so sehr, dass es mir den Atem nimmt.«
Entsetzt sah Benito die Träne, die ihm die Wange
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