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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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hinabrann und eine feuchte Spur hinterließ. Es kostete ihn all seine Kraft, sitzen zu bleiben und zu schweigen.
    »Was tun Sie, wenn ich Sie ohrfeige?«, fragte der Conde mühsam. »Nehmen Sie die Forderung an?«
    »Ich bin nicht satisfaktionsfähig«, sagte Benito.
    »O doch, das sind Sie. Es ist feige und Ihrer nicht würdig, sich auf diese Behauptung zurückzuziehen.«
    Benito unterdrückte ein Stöhnen. »Nein, ich nehme Ihre Forderung nicht an«, sagte er. »Weder könnte ich auf Sie schießen noch mich von Ihnen erschießen lassen. Ich bitte Sie, nehmen wir die Dinge hin, wie sie sind, und versuchen mit so viel Anstand wie möglich damit weiterzuleben. Gewünscht hat sie sich keiner von uns, und einander umzubringen löst höchst selten Probleme.«
    »Haben Sie ein Recht, mir Moral zu predigen?«
    »Ich predige Ihnen nicht Moral«, erwiderte Benito. »Ich sage Ihnen nur das, was ich jeden Tag mir selbst sage. Dass es nicht viel hilft, ist mir bewusst.«
    »Und wenn es umgekehrt wäre?« Der Ton des Conde bekam etwas Lauerndes. »Wenn es nicht um meine Tochter ginge, sondern um Ihre? Jaime Sanchez Torrija, der tückisch schöne Andalusier, zerstört bei Tage Mexikos Verfassung, und bei Nacht verdirbt er Mexikos Mädchen. Was würden Sie tun, wenn eines von diesen Mädchen Ihre Tochter wäre? Würden Sie ihn nicht umbringen wollen?«
    Er war der Zweite, der ihn das innerhalb eines einzigen Abends fragte. »Doch, wahrscheinlich«, antwortete Benito müde. »Auch damit haben Sie recht. Können Sie mir wenigstens glauben, dass Dolores nicht eines von diesen Mädchen ist?«
    Der Blick des Conde hielt den seinen fest. »Lieben Sie sie?«
    Es war die Frage, die Benito am meisten gefürchtet hatte. Er wusste, er würde nicht umhinkommen, sie zu beantworten. »Ja«, sagte er.
    Ohne seinen Blick loszulassen, berührte der Conde flüchtig seine Hand. »Ich will Sie nicht umbringen«, sagte er. »Ich will, dass Sie Dolores aufgeben. Es erleichtert mich, dass es nicht nur ihr, sondern auch Ihnen Schmerz bereiten wird, dass mein Mädchen nicht mir nichts, dir nichts weggeworfen wird. Aber es muss ein Ende sein. Wenn Sie Dolores lieben, werden Sie das verstehen.«
    Kopf und Nacken erschienen Benito bleischwer, als er nickte. »Geben Sie mir Zeit«, bat er. »Lassen Sie es mich langsam tun, nicht auf einen Schlag.«
    »Und Sie geben mir Ihr Wort darauf, dass Sie Dolores in dieser Zeit nicht mehr anrühren? Dass Sie nur mit ihr sprechen, um es ihr leichter zu machen, aber sich nie mehr vergessen und sich an ihr vergreifen?«
    Es war die Ohrfeige, die der Conde ihm angedroht hatte. Die Schärfe des Schmerzes überraschte ihn, obgleich er sich dagegen gewappnet hatte. »Ja«, brachte er endlich heraus, »darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
    Sie erhoben sich gleichzeitig. Der Conde nahm Benitos Hand. »Ich verlasse mich auf Sie. Was ich von Ihnen halte, sollten Sie wissen, einerlei, was für Verbrechen Ihr Vater beging und welche Farbe Ihre Haut hat. Wäre ich nicht der Ansicht, dass Männer wie Sie für Mexiko ein Segen sind, würde ich Ihrem Entwässerungsprojekt nicht finanziellen Rückhalt geben. Einen Rückhalt, den ich ihm auch jetzt nicht entziehe, weil ich Ihnen vertraue. Sollten Sie eines Tages meinen, Sie könnten mich um Verzeihung bitten, dann tun Sie’s. Ich werde es Ihnen nicht abschlagen.«
    Vermutlich bemühte sich nur selten ein Mann darum, einem anderen derart rückhaltlos seine Achtung zu erklären. Benito aber war es, als schlüge der andere ihm in rascher Folge ins Gesicht. Sein Dank geriet zum Gemurmel. Kaum aus der Tür, begann er zu rennen, ohne sich darum zu scheren, was die Nachtschwärmer von ihm dachten. Über eine Lösung für sein Dilemma wollte er jetzt nicht nachdenken, sondern nur zu Josefa. Während er rannte, dass ihm die Lungen brannten, betete er mit jedem Schritt: Gott, bestrafe nicht Josefa für das, was ich diesem anderen Vater antun muss. Gott, lass Josefa bei Martina auf mich warten, lass sie an Leib und Seele unversehrt sein.

16
    W arum war sie mit ihm gegangen? Ihr Vater hatte sie beschützen wollen, er hätte ihr das verfluchte grüne Kleid ausgezogen und sie ins Bett gebracht wie als Kind. Sie hatte sich unendlich danach gesehnt, und doch hatte sie dem Vater gesagt, sie wolle mit Tomás gehen. Als hätte der junge Mann darauf ein Recht.
    Tomás zerrte sie im Laufschritt hinter sich her. Sie stolperte mit, trotz schmerzhafter Stiche in der Seite, trotz dumpfer Kopfschmerzen und

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