Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
Klinge springen lässt. Aber dem ist nicht so. Ich tue, was getan werden muss, auch wenn ich mir dabei die Hände schmutzig mache, doch meine Männer liegen mir am Herzen. Du mehr als andere. Ja, ich habe mein Vergnügen daran, dir ab und zu das Fell zu gerben, aber ich wünsche nicht, dass du ernsthaft zu Schaden kommst. Und dem Conde de Vivero wünsche ich das schon gar nicht, ganz abgesehen davon, dass ich auf seine finanzielle Unterstützung leider angewiesen bin und gewisse Rücksichten zu nehmen habe.«
»Was hat der Conde de Vivero …«
»Heilige Jungfrau von Guadalupe, tu das nicht. Frag mich nicht, was der Conde de Vivero damit zu tun hat, denn das weißt du so gut wie ich, und ich habe dich schon einmal gewarnt. Erlaube mir, dir eine Frage zu stellen: Du willst doch so um jeden Preis zu deiner Tochter – was tätest du, wenn du nun jemanden bei ihr fändest, den du dort ganz und gar nicht sehen möchtest? Jaime Sanchez Torrija zum Beispiel. Nicht höflich plaudernd in der Sala, sondern kärglich bekleidet im Schlafgemach. In den Armen deiner Josefa. Na, was tätest du dann?«
»Ich würde ihn erwürgen«, antwortete Benito ehrlich.
»Hört, hört. Und warum? Weil dir seine politische Haltung nicht passt?«
»Nein«, sagte Benito, »sondern weil er die Tochter eines Amarant fressenden Indios als Mädchen vierter oder fünfter Klasse betrachtet, dem er das Herz brechen, das er aber niemals heiraten würde.«
»Hört, hört«, bemerkte Porfirio noch einmal und kaute langsam sein Fleisch. »Weißt du was? Ich glaube, unser gemeinsamer Freund, der Conde de Vivero, denkt nicht viel anders. Darüber, dass du nicht eben aus Mexikos edelstem Stall stammst, würde er vermutlich hinwegsehen. Darüber, dass du mehr als doppelt so alt wie sein Augapfel von Tochter bist, ebenfalls, aber über eines kann ein Vater nicht hinwegsehen, nicht einmal ein so gutmütiger Einfaltspinsel wie unser Don Teofilo – über die Tatsache, dass du eine Frau und Kinder hast und damit seine Dolores nicht heiraten, sondern nur schänden und ruinieren kannst.«
Benitos Herz begann dumpf wie ein Glockenschlegel zu hämmern. Fetzen zu seiner Verteidigung schossen ihm durch den Kopf, doch jeden einzelnen verwarf er.
»Was ist denn nur in dich gefahren?« Porfirio beugte sich über den Teller hinweg und klang dieses eine Mal tatsächlich wie der besorgte Freund, als der er sich gab. »Mein Leben lang höre ich von allen Seiten das Loblied deiner Besonnenheit. Wir sind Flanke an Flanke fast sechzig Jahre alt geworden, und jetzt beträgst du dich auf einmal wie ein rotznäsiger Flegel, der ein gesalzenes Dutzend mit dem Riemen braucht, damit er seinen Schwanz einkneift? Mir wird nachgesagt, ich hätte keine Moral, aber so etwas tut man nicht. Wenn’s einen juckt, geht man ins Bordell, doch man vergreift sich nicht an den Töchtern seiner Freunde.«
»Hast du das mit dem Riemen ausprobiert?«, fragte Benito und wünschte, er hätte sich nicht hinreißen lassen. »Bei deinen Söhnen, deinen Neffen? Es hilft nicht, Porfirio.«
»Ha! Und was hilft dann? Wenn dich der Conde zum Duell fordert, nimmt er keinen Riemen, sondern eine Pistole, mein Freund.«
»Sei nicht lächerlich. Nach weiß Gott was für Regeln, die in solchen Fällen Anwendung finden, wäre ich nicht einmal satisfaktionsfähig.« Sein Stolz brannte, während er den Satz zu Ende sprach, und er kam sich unglaublich lächerlich vor.
»Das sieht der Conde anders«, erwiderte Porfirio. »Er schätzt dich weit mehr, als dein Benehmen es verdient, hast du das nicht gewusst?«
Doch, dachte Benito. Und dass ich es weiß, macht alles hundertmal schlimmer.
»Ich gehe jetzt«, sagte Porfirio, wischte sich die Lippen mit dem Ärmel und schob die Schale mit seinem Dessert beiseite. »Meinen Platz überlasse ich dem Conde, der mich darum gebeten hat, mit dir sprechen zu dürfen. Sprechen, Benito, nicht schlagen oder schießen. Komm zur Besinnung, ehe es zu spät ist, ja?«
Benito hatte kaum Zeit, sich zu sammeln, da verließ Porfirio bereits die Nische. An seine Stelle trat der hochgewachsene, gebeugte Conde, zog seinen Hut und verneigte sich. »Guten Abend, Don Benito. Haben Sie Dank, dass Sie sich bei all Ihren Verpflichtungen Zeit für mich nehmen.«
Sprich nicht so mit mir, beschwor ihn Benito im Stillen. Nicht mit so viel Ehrerbietung. Schimpf mich einen dreckigen indianischen Skunk, aber beschäme mich nicht noch mehr, indem du mir Respekt erweist.
»Darf ich?« Der Conde
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