Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
einer Freundin, mit der er einige Jahre lang eine Beziehung gehabt hatte, ehe sie sich wegen seiner permanenten Kollisionen mit dem Gesetz von ihm getrennt hatte. Dennoch standen sie einander nahe, daher hatte sie ihn aufgenommen, als er keine Bleibe fand. Debbie arbeitete im Schichtdienst für ein Gebäudereinigungsunternehmen und war selten zu Hause.
Ryan wusste, dass Debbie auch jetzt nicht daheim sein würde, weil sie an diesem Wochenende für die Arbeit in einem größeren Gebäudekomplex eingeteilt war, der vor allem Kinos und Fast-Food-Läden beherbergte. Er würde schnell duschen und ein Bier trinken, und hoffentlich würde der Alkohol seine Anspannung, seine auf der Lauer liegende Panik auflösen. Sodann würde er eine Telefonzelle aufsuchen und Matthew Willard anrufen. Natürlich musste er damit rechnen, dass Willard bereits die Polizei verständigt hatte, als er Vanessa nicht mehr auf dem Parkplatz angetroffen hatte, aber er vermutete, dass die Beamten nach so kurzer Zeit noch nicht wirklich in die Gänge gekommen waren. Ging man Vermisstenmeldungen bei Erwachsenen nicht erst vierundzwanzig Stunden später nach? Oder sogar achtundvierzig? Oder war das nur ein Gerücht, das sich hartnäckig hielt?
Sein Herzschlag, der gerade dabei gewesen war, sich ein klein wenig zu beruhigen, begann schon wieder in einem wirren und unregelmäßigen Rhythmus zu galoppieren. Er hatte so viele Dinge nicht bedacht, er war absolut dilettantisch an die Umsetzung seines Planes herangegangen. Wenn die Polizei nun doch schon bei Willard daheim war? Wenn eine Fangschaltung installiert worden war?
Er musste unbedingt daran denken, das Gespräch so kurz wie möglich zu halten. Die durften die Telefonzelle, aus der er anrief, keinesfalls identifizieren.
Ihm wurde schwindelig, als ihm aufging, in welchen Wahnsinn er sich gestürzt hatte.
Aber er hatte geglaubt, keine andere Wahl zu haben. Genau genommen hatte er auch keine, nachdem ihm Damon zweimal die Nachricht hatte zukommen lassen, er wolle sofort die zwanzigtausend Pfund zurückhaben, die Ryan ihm schuldete. Danach hatte er ein paar Schlägertypen geschickt, die Ryan noch auf andere Art erinnern sollten – nach diesem Besuch hatte er sich für zehn Tage krankmelden müssen, weil er sich kaum mehr hatte bewegen können. Er kannte Damon: Er würde nicht lockerlassen. Und irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft würde Ryan mit dem Gesicht nach unten im Hafenbecken von Swansea treiben, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Er war realistisch genug zu wissen, dass er Damon nicht entkommen konnte. Er würde ihn aufspüren, überall auf der Welt. Damon war mächtig, skrupellos und gerissen. Er kannte keine Moral, kein Mitleid. Er war unfähig, eine Niederlage hinzunehmen.
Damon war hochgradig gefährlich, und Ryan hatte begriffen: Er musste zwanzigtausend Pfund auftreiben, darin bestand seine einzige Chance.
Genauso gut hätte er eine Million Pfund anstreben können. Der eine wie der andere Betrag war völlig abwegig für ihn.
So war der Plan der Entführung entstanden. Er hatte sich der Höhle im Fox Valley entsonnen, die er als Kind entdeckt, seit fast zwanzig Jahren aber nicht mehr aufgesucht hatte. Als er nun wieder dort hinkam, stellte er fest, dass offenbar tatsächlich niemand außer ihm von ihrer Existenz wusste. Es gab nicht die geringsten Spuren anderer Menschen. Mit zusätzlichen Steinen, die er mühsam heranschleppte, hatte er damals den Eingang absolut perfekt getarnt – natürlich nicht in der Absicht, dort einmal ein Versteck für ein Entführungsopfer einzurichten. Es war eher so gewesen, dass ihm der Gedanke gefiel, einen Ort auf der Welt zu haben, den niemand kannte, der ihm allein gehörte.
Aus alldem war jetzt eine Situation entstanden, die mit seiner einst kindlichen Freude an einem Geheimnis nichts mehr zu tun hatte. Wenn etwas schiefging, saß er für viele Jahre im Knast, so viel stand fest. Ryan hatte es bislang stets geschafft, mit Bewährungsstrafen davonzukommen. Er hatte eine höllische Angst vor dem Gefängnis. Aber ihm war klar, dass seine spezielle Lebensweise ihn irgendwann genau dorthin bringen würde, und daher hatte er auch beschlossen, nicht nur zwanzigtausend Pfund zu erpressen, sondern hunderttausend. Zwanzig, um sich Damon, den Kredithai, mit dem er sich leichtsinnigerweise eingelassen hatte, ein für alle Mal vom Hals zu schaffen. Und achtzig, um damit fortzugehen und sich irgendwo ein neues Leben aufzubauen. Eines, in dem es
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