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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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dumpf und ungewohnt unter dem dicken Tuch. »Nur das. Wenn deine Angehörigen gezahlt haben, hole ich dich sofort hier raus. Gehört das Auto, mit dem du unterwegs warst, dir?«
    Sie konnte nur leise krächzen. »Meinem Mann und mir.«
    Es war wirklich ein Glück, dass es diesen Ehemann gab. Ryan hätte sich sonst mit Eltern oder Geschwistern, die womöglich über ganz Großbritannien verstreut lebten, auseinandersetzen müssen. Mit der Existenz eines Ehemanns war zumindest die Zuständigkeit geklärt. Und auf jeden Fall war nicht die schlimmste Variante eingetreten: dass sie nämlich völlig allein war und es niemanden gab, den man erpressen konnte. Diese Möglichkeit hatte Ryan am meisten gefürchtet.
    »Wie heißt dein Mann?«, fragte er.
    Sie machte zwei vergebliche Anl äufe, ehe ihre Stimme ihr erneut gehorchte. Sie hatte so sehr geschrien, dass sie völlig heiser war.
    »Matthew«, brachte sie schließlich hervor, »Matthew Willard.«
    »Und du bist?«
    »Vanessa. Dr. Vanessa Willard. Ich bin Dozentin an der Universität Swansea. Ich verdiene nicht besonders viel Geld.«
    »Wo wohnt ihr?«
    Sie nannte ihm die Adresse und die Telefonnummer. Er speicherte das alles in seinem Gedächtnis. Aufschreiben erschien ihm zu gefährlich.
    »Wir … sind wirklich keine Millionäre«, sagte sie. »Sie … müssen mich verwechseln.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich will hunderttausend Pfund. Die wird dein Mann beschaffen können.«
    Sie schien verwirrt. Sicher hatte sie mit einer Millionenforderung gerechnet. Aber woher sollte sie auch alle Hintergründe und Umstände kennen?
    Der schwierigste Moment kam, als er ihr klarmachte, dass sie sich in die Kiste legen musste und er den Deckel verschließen würde. Diesmal versuchte sie nicht zu fliehen, aber sie begann zu hyperventilieren, und zwar so heftig, dass er im ersten Moment glaubte, sie habe einen Asthmaanfall.
    »Bitte«, stieß sie schließlich hervor. »Bitte nicht! Bitte, tun Sie mir das nicht an, bitte! Bitte!«
    Er versicherte ihr, dass sie es gut haben würde. »Es gibt genug Luftlöcher. Du hast eine Taschenlampe. Ich habe Zeitschriften dort hineingelegt. Genügend Wasser und Essen. Und vielleicht zahlt dein Mann schon morgen. Dann bist du sofort draußen.«
    »Ich bin doch hier in einer Höhle unter der Erde. Warum reicht das nicht? Warum …?«
    Er erklärte ihr, dass er die Höhle mit Steinen verschließen würde, dass sie aber durchaus in der Lage wäre, diese Steine in geduldiger Arbeit beiseitezuschaffen, und dass er das nicht geschehen lassen konnte. »Ich werde jeden Tag nach dir sehen«, versprach er. Das war eine Lüge. Die Strecke war von Swansea aus zu weit, und er würde das Risiko aufzufallen nicht eingehen. Da konnte er ja gleich die Polizei zu dem Versteck führen. Aber für den Moment war es ratsam gewesen, ihr irgendetwas Tröstliches zu erzählen.
    Sie hatte geweint, als sie sich in die Kiste legte, und dabei gezittert wie Espenlaub. Er hatte sie schluchzen gehört, als er den Deckel an sechs Stellen mit Schrauben, deren Gewinde er vorgebohrt hatte, verschloss. Zum Glück hatte sie nicht mehr sehen können, dass auch er dabei zitterte. Es hätte sie noch mehr beunruhigt zu erkennen, dass er sich selbst der ganzen Geschichte keineswegs nervlich gewachsen fühlte.
    Er erreichte jetzt die ersten Ausläufer von Swansea und schaltete einen Gang zurück. Der Wagen gehörte zu einer Wäschereikette, für die er seit einem halben Jahr arbeitete. Endlich wieder einmal ein Job, aber einer, der anstrengend war und wenig einbrachte. Seine Aufgabe war es, die Wäsche in verschiedenen Hotels und Restaurants in Swansea und der weiteren Umgebung einzusammeln und später gewaschen und gebügelt wieder auszuteilen. Dafür hatte man ihm den weißen Kastenwagen mit der Aufschrift Clean! zur Verfügung gestellt. Das war der einzige Vorteil, den diese Arbeit ihm brachte: ein Auto in seinem Besitz zu haben. Zwar durfte er es eigentlich nicht für private Fahrten nutzen – und die Entführung und Verschleppung einer Frau zählten ganz klar zur privaten Nutzung –, aber bis jetzt hatte es noch niemand kontrolliert, und er füllte immer wieder den Tank nach seinen Spitztouren auf und hoffte, dass er nicht erwischt werden würde.
    In Swansea herrschte an diesem Sonntagabend um kurz vor halb zehn wenig Verkehr, und Ryan gelangte ohne Prob leme in die Stadt. Wie so oft in seinem Leben hatte er gerade keine eigene Wohnung, lebte mal hier, mal dort, zurzeit bei Debbie,

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