Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
zugänglich durch einen Geheimgang, den offenbar niemand vorher je gefunden hatte.
Er drehte sich um und zwängte sich zwischen den engen Wänden hindurch wieder zurück zum Eingang. Von dem Fuchs hatte er keine Spur mehr gesehen, aber vielleicht hatte er ihn in der Dunkelheit auch einfach nicht entdecken können. Er musste jetzt unbedingt sofort nach Hause radeln und eine Taschenlampe holen, dann würde er zurückkommen und die Höhle ganz genau erforschen. Er würde auch ein paar Sachen mitbringen – Buntstifte, Briefmarken, einen Plastikbecher – und sie im Inneren der Höhle deponieren. Das würde sein Test sein. Er würde jeden Tag kommen und die Sachen kontrollieren. Wenn alles unverändert blieb, hatte er irgendwann den Beweis, dass wirklich nur er von der Existenz dieses geheimen Ortes wusste.
Draußen angekommen wäre er am liebsten sofort zu seinem Fahrrad gerannt, aber er beherrschte sich und machte sich zunächst die Mühe, alle Steine wieder aufeinanderzuschichten und den Eingang sorgfältig zu verschließen. Er holte sogar feuchte Erde von weiter her und schmierte sie in die Ritzen, damit niemand sehen konnte, dass hier Geröll nur locker übereinanderlag. So gut er konnte, richtete er den niedergetretenen Farn auf. In Zukunft musste er besser aufpassen, er musste sich vorsichtig und geschmeidig bewegen, damit er nicht einen deutlich sichtbaren Trampelpfad hinterließ, der direkt zum Eingang führte. Die Höhle sollte sein Geheimnis bleiben, niemand sonst durfte sie entdecken. Er würde niemanden einweihen, seine Mutter und seinen Stiefvater schon gar nicht, aber auch nicht seine Freunde in der Schule. Er hatte auch nie jemandem etwas von diesem Platz erzählt, zu dem er so gerne kam, und nun hatte der Ort eine viel größere Bedeutung bekommen.
Mein Tal, dachte er, meine Höhle.
Der Fuchs hatte ihm den Weg gezeigt, und so schoss ihm der Name durch den Kopf, den er diesem Flecken Erde, der nur ihm gehörte, geben wollte:
Fox Valley.
Das Tal des Fuchses.
Das hörte sich geheimnisvoll an, fand er, und irgendwie besonders.
Das Tal des Fuchses.
Zufrieden betrachtete er seine Arbeit. Niemand konnte erkennen, dass es hier eine Öffnung im Felsen gab. Niemand würde sein Versteck jemals finden. Und er würde viel Zeit hier verbringen und den Gang vielleicht noch etwas vergrößern und die Höhle befestigen und sich einen wunderbaren Zufluchtsort für alle Zeiten schaffen.
Er lief zu seinem Fahrrad.
»Ich bin bald wieder da«, flüsterte er.
AUGUST 2009
1
Auf der ganzen Fahrt aus dem Norden von Wales hinunter in den Süden hatten sie wieder die lange, entnervende und fruchtlose Diskussion geführt, in die sie sich während der vergangenen Wochen ständig verstrickten. Als sie den Pembrokeshire Coast National Park verließen und Fishguard erreichten, stritten sie sogar richtig. Vielleicht wäre sonst alles ganz anders gekommen. Hätten sie bloß das Thema friedlich zu klären versucht, wäre nur einer von ihnen auf die Idee gekommen zu sagen: »Jetzt lass uns den schönen Tag nicht verderben. Reden wir über etwas anderes. Heute Abend setzen wir uns in Ruhe zusammen, trinken ein Glas Wein und besprechen das alles.«
Aber sie waren aus der Spirale, in der sie sich verfangen hatten, nicht herausgekommen, und alles mündete in eine Tragödie, aber das hatte niemand voraussehen können. Der Streit schwelte seit Langem und ging, wie Vanessa fand, im Grunde um … gar nichts. Matthew, ihr Mann, arbeitete in einer Firma in Swansea, die Computersoftware entwickelte und über viele Jahre extrem erfolgreich gewesen war. In der jüngsten Zeit hatte sich die Situation verschlechtert, die Konkurrenz war stärker geworden, der Markt härter und schneller, und in der Firma wurden Umstrukturierungsmaßnahmen diskutiert, die im Kern darauf hinausliefen, dass man erwog, jüngere Mitarbeiter an anderen Stellen abzuwerben und gegen die eigenen Leute, die sich als nicht mehr wirklich konkurrenzfähig erwiesen, einzutauschen. Matthew war überzeugt – Vanessa bezeichnete es als fixe Idee –, dass man ihn entlassen würde. Zumindest sah er die Möglichkeit. Und da er ein Angebot aus London bekommen hatte, dort in einer anderen Firma einzusteigen, sah er nicht ein, weshalb er der drohenden Gefahr nicht zuvorkommen, kündigen und nach London gehen sollte.
»Weil du dann zum Beispiel keine Abfindung bekommst«, hatte Vanessa entgegengehalten.
»Okay. Aber was nützt mir die Abfindung, wenn die Stelle in London dann
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