Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
keine Schlägereien, keine Diebstähle, keine Betrügereien mehr gab. Was genau er machen wollte, wusste er noch nicht. Aber die wahnsinnige Vorstellung, achtzigtausend Pfund sein Eigen zu nennen, verlieh ihm ein überwältigendes Gefühl völliger Unangreifbarkeit. Mit so viel Geld war man sicher. Da stellte man etwas auf die Beine, irgendetwas. Darüber brauchte er sich im Vorfeld nicht den Kopf zu zerbrechen. Im Moment gab es Wichtigeres, worauf er sich konzentrieren musste.
Direkt vor Debbies Wohnung fand man selten einen Parkplatz, daher stellte Ryan das Auto in der Glanmorgan Street ab und machte sich auf den Weg die Paxton Street hinunter. Er mochte die Gegend, in der Debbie wohnte, nicht besonders, manchmal fand er es dort richtig trostlos. Aber es war ohnehin klar, dass er in der Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin nicht ewig würde bleiben können. Sosehr er Debbie noch immer mochte.
Er spürte sofort, dass etwas nicht stimmte, aber da es nicht einen einzigen konkreten Anhaltspunkt für sein ungutes Gefühl gab, sagte er sich, dass er an einer Einbildung litt. Seine Nerven waren ziemlich angespannt, kein Wunder, nach allem, was an diesem Tag geschehen war. Vermutlich würde jeder in seiner Situation die Flöhe husten hören.
Dennoch war es merkwürdig. Dunkel und verlassen lag die Straße vor ihm. In einigen der Häuser ringsum brannte noch Licht. Aber kein Mensch ließ sich blicken, alles war friedlich, wie ausgestorben, absolut ruhig. Zu ruhig für einen so warmen Abend? Er hob den Kopf, als nehme er Witterung auf wie ein Tier auf der Jagd.
Verdammt, Ryan, bleib cool, sagte er zu sich, du hast ein paar teuflisch anstrengende Tage vor dir, und wenn du dabei andauernd durchdrehst, kannst du die ganze Nummer am besten gleich vergessen!
Er zwang sich, näher auf das Haus, in dem Debbie wohnte, zuzugehen.
In all den Jahren, in denen er sich nun schon stets am Rande des Gesetzes – und oft genug sogar jenseits des Gesetzes – bewegte, hatte er ein Gespür für Bullen entwickelt. Er roch es förmlich, wenn sie in der Nähe waren. Ganz selten einmal hatte er sich in diesem Punkt getäuscht. Er sagte sich jedoch, dass es diesmal ganz sicher nicht sein konnte. Er hatte etwas Schlimmes getan, aber es war einfach unmöglich, dass die Polizei ihm auf der Spur war. Selbst wenn Willard seine Frau schon als vermisst gemeldet und ein riesiges Theater veranstaltet hatte, war es unwahrscheinlich, dass man dort bereits von einer Entführung ausging. Würde man nicht eher glauben, Vanessa Willard habe ihren Mann verlassen? Sich vielleicht mit einem Liebhaber auf und davon gemacht?
Er blieb jäh stehen, als ihm eine erschreckende Möglichkeit durch den Kopf schoss: Was, wenn er gesehen worden war? Wenn irgendjemand ihn beobachtet hatte, wie er die bewusstlose Frau in sein Auto schleifte?
Unmöglich, dachte er. Er hatte sich immer wieder umgeblickt, die Straße, die Landschaft zu jeder Sekunde im Visier gehabt. Da war weit und breit niemand gewesen. Andererseits hatte er sich auch eingebildet, im Vorfeld der Entführung alles genauestens abgecheckt zu haben, und ihm war glatt entgangen, dass Matthew Willard und sein Hund in der Nähe herumstreiften.
Trotzdem. Es war ein abwegiger Gedanke, dass sie an ihm dran sein sollten. Es war seine Nervosität, die ihm gerade einen Streich spielte.
Er ging weiter. Er hatte das Auto, das gegenüber dem Haus parkte, in dem sich eine Obdachlosenunterkunft befand, nicht beachtet, obwohl es im Halteverbot stand, aber nun plötzlich befiel ihn genau deshalb eine seltsame Unruhe. Er wandte sich noch einmal um und sah, dass das Auto nicht leer war wie die vielen anderen Wagen, die entlang der Straße auf den regulären Parkplätzen standen. Da saßen zwei Typen drin, und in dieser Sekunde wusste Ryan, dass ihn das Gefühl einer lauernden Gefahr nicht getrogen hatte.
Er drehte auf dem Absatz um und rannte die Straße hinunter. Er konnte eine Autotür knallen hören und dann den Ruf: »Halt! Stehen bleiben! Polizei!«
Er scherte sich nicht darum. Er rannte weiter, vernahm Schritte hinter sich. Sie folgten ihm. Mal sehen, wer sich besser in der Gegend auskannte.
Am Ende der Straße bog er nach links in die Oystermouth Road ab, wusste aber, dass er ihr nicht lange folgen konnte, da es kaum Möglichkeiten zum Untertauchen gab. Er würde auch nicht auf die andere Seite wechseln, denn dort begannen die großen Parkplätze, an die sich dann die Marina anschloss, und dort hatte er
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