Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
Vom Netzwerk:
böser Geist. Und genauso fühlte es sich an. Mit jedem mühsamen Schritt fuhr der Schmerz wie ein Dolch durch seinen Körper, obwohl er versuchte, das Bein so wenig wie möglich zu belasten. Vielleicht sollte er das Angebot seines Vaters doch annehmen. Er schüttelte den Kopf und biss die Zähne zusammen. Nein, das würde er nicht tun. Sich wie einen nassen Sack durch den Wald schleppen zu lassen, ging dann doch gegen seine Würde.
    Neben ihm lief Ningali, lautlos wie ein Waldgeist. Es war Duncan unbegreiflich, wie seine Schwester und auch Joseph in diesem Dickicht ihren Weg fanden, und er war dankbar dafür, dass er sich nur darum kümmern musste, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Alleine wäre er in dieser grünen Wildnis hoffnungslos verloren gewesen.
    Sie liefen vorbei an riesigen Büschen und umgestürzten Bäumen, traten Gräser nieder, stiegen über Erdhaufen. Es war entsetzlich heiß. Er konnte sich selbst riechen, Schweiß lief ihm über das Gesicht und brannte in seinen Augen. Ta usende von kleinen Mücken umschwirrten seinen nackten Oberkörper. Wenigstens trug er wieder seine Hose, auch wenn es ein schmerzhafter Kraftakt gewesen war, den zerlöcherten Stoff über seine Beine und den Blätterverband zu streifen. Aber er konnte schließlich nicht nur mit einem Lendentuch bedeckt in der Zivilisation auftauchen.
    Die blaugrüne Vogelfeder, die Yani ihm zum Abschied umgehängt hatte, klebte auf seiner Haut, heiß pumpte das Blut durch seine Adern. Es war nicht nur die Januarhitze. Das Fieber, das ihn für eine Weile in Ruhe gelassen hatte, war zurückgekehrt. Joseph hatte recht: Dieser Marsch durch den Busch war nicht gut für ihn. Dennoch schleppte er sich weiter vorwärts, versuchte, sich seine Schwäche nicht anmerken zu lassen, auch wenn jeder Schritt Überwindung kostete.
    Er musste zu Moira. Und zu Joey. So schnell wie möglich.
    *
    Obwohl Ningali diesen Weg nun schon zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit ging, spürte sie keine Müdigkeit. Ihre Schritte auf dem Waldboden waren leicht, auch wenn immer wieder querliegende Stämme und dichte Ranken ihr den Weg versperrten. In den hohen Wipfeln wisperten die Baumgeister, ertönte das schrille Gelächter des Kookaburras, murmelte der Wind. Auf den öligen Blättern des Eukalyptus glänzte die Sonne; es würde noch eine Weile dauern, bis Yhi, die Sonnenmutter, zum Ausruhen nach Westen ziehen und der Wald sich für die Nacht rüsten würde.
    Wegen Dan-Kin kamen sie nur langsam voran. Er stützte sich schwer auf den Stock, aber er klagte nicht, stöhnte nur manchmal leise auf. Schon lange hatte er kein Wort mehr gesagt. Ningali sah ihm an, wie schlecht es ihm ging. Seine Augen, die sonst von der Farbe des schattigen Waldes waren, glänzten dunkel und fiebrig. Dennoch kämpfte er sich vorwärts, Schritt für Schritt. Die Sorge um Mo-Ra und das Kind trieb ihn an.
    Auch Ningali machte sich Sorgen. Mo-Ra hatte gestern so verzweifelt geklungen, so hilflos. Ningali hatte nur wenig von dem begriffen, was sie ihr gesagt hatte. Aber das Wichtigste hatte sie verstanden: dass der kleine Scho-i nun bei dem Mann war, mit dem Mo-Ra einst zusammengelebt hatte. Dieser Doktor war ein großer Heiler, mächtiger noch als die Schamanen der Eora . Ningali hatte ihn schon früher in dem Gebäude gesehen, in dem die Kranken versorgt wurd en. Sobald sie dort wären, nahm Ningali sich vor, würde sie einen Heilgesang anstimmen, um die schädlichen Kra nkheitsgeister des kleinen Jungen zu vertreiben. Hoffentlich konnten diese gesammelten Anstrengungen ihn wieder gesund machen.
    Mo-Ra hatte sie auch nach Dan-Kin gefragt. Aber angesichts der schlechten Nachrichten hatte Ningali es nicht übers Herz gebracht, Mo-Ra von seiner Verletzung zu erzählen. Soweit sie es mit ihren mangelhaften Kenntnissen der fremden Sprache vermochte, hatte sie daher lediglich erwähnt, dass es Dan-Kin gutgehe und dass er bald zurückkommen werde.
    Sie bog einen tiefhängenden Zweig aus Dan-Kins Weg, wartete, bis er an ihr vorübergehumpelt war. Bislang hatte er abgelehnt, sich auf sie oder Bun-Boe zu stützen, aber jetzt blieb er stehen, streckte die freie Hand aus und legte sie haltsuchend auf Ningalis Schulter. Sie stemmte beide Beine fest in den Boden, um nicht in die Knie zu gehen, so schwer stützte er sich plötzlich auf sie. Seine Handfläche schien auf

Weitere Kostenlose Bücher