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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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schüttelte den Kopf. »Zu Dan-Kin«, beharrte sie. »Mo-Ra und Ningali.«
    Moira seufzte. Sie hatte nichts anderes erwartet. Aber sie hatte jetzt weder die Kraft noch die Zeit, sich mit dem Mädchen auseinanderzusetzen. Wenn es um ihren Bruder ging, war Ningali ein genauso großer Sturkopf wie Moira auch.
    Â»Aber so nehme ich dich nicht mit.« Schnell klappte sie den Deckel der geplünderten Kleidertruhe auf, fand von sich aber nur ein paar Strümpfe und einen Hut. Schließlich griff sie nach Hemd und Hose von Duncan, die die Diebe unangetastet gelassen hatten.
    Â»Hier.« Sie hielt Ningali die Sachen hin. »Das ziehst du an. Es ist von Duncan«, fügte sie noch hinzu.
    Das schien Ningali zu überzeugen. Mit einem scheuen Lächeln ließ sie sich von Moira helfen, die ungewohnten Kleidungsstücke überzustreifen, die ihr natürlich viel zu groß waren. Die Schnur, die Ningali um die Hüften trug, wurde zum Gürtel für die Hose. Moira krempelte noch Hosenbeine und Hemdsärmel hoch, dann trat sie einen Schritt zurück – und musste trotz ihrer Anspannung ebenfalls ­lächeln: In dieser Ausstattung sah das Mädchen aus wie ein halbwüchsiger Lausbub. So würde man es zumindest nicht sofort als Eingeborene erkennen.
    *
    Schon lange war sie nicht mehr in dem langgestreckten, einfachen Lazarettgebäude gewesen. Sie war gerade dabei, das Pferd mit fliegenden Fingern vor dem Gebäude anzubinden, als auch schon Joseph auf sie zukam.
    Â»Ach, Mädchen, wie gut, dass du da bist!« Die untergehende Sonne färbte sein Gesicht rötlich und verlieh dem Kängurufell um seine Hüften einen goldenen Schimmer.
    Â»Was ist passiert?«, bestürmte sie ihn. »Wie geht es ihm? Wo ist er?«
    Â»Drinnen.« Joseph wies mit der Hand in Richtung Tür. »Diese Hohlköpfe wollten mich erst nicht hineinlassen. Haben mir unterstellt, ich sei ein Wilder und wollte ihnen ans Leben.« Sein Blick ging an Moira vorbei auf Ningali, die ihr wie ein Schatten gefolgt war, und sein hageres Gesicht mit dem kurzen grauen Bart verzog sich zu einem Lächeln. »Ningali? In dem Aufzug hätte ich dich fast nicht erkannt!«
    Â»Joseph!« Moira vibrierte vor Ungeduld und Sorge. »Was ist mit Duncan?«
    Plötzlich sah er reichlich schuldbewusst aus. »Nun, er … wurde angeschossen«, erklärte er zögernd.
    Â»Angeschossen?« Moira spürte, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich.
    Â»Ja, aber er war schon wieder auf dem Weg der Besserung. Nur als er erfahren hat, dass der kleine Joey so krank ist, da wollte er unbedingt zu dir, und das –«
    Â»Was?«, unterbrach Moira ihn panisch. »Joey ist krank?« Hörten die schlechten Nachrichten denn gar nicht mehr auf?
    Â»Ja.« Nun war auch Joseph verwirrt. »Das hat zumindest Ningali gesagt. Du hast ihr doch selbst erzählt, Joey sei beim Doktor, und das ist er doch sicher nur, weil es ihm schlechtgeht. So war es doch, Ningali?«
    Das Mädchen nickte stumm, den Blick unverwandt auf Moira gerichtet.
    Moira begriff nur langsam, es dauerte, bis der neuerliche Angstschub nachließ. Sie atmete tief durch, versuchte, ihre n jagenden Puls zu beruhigen.
    Â»Joey ist bei McIntyre«, bestätigte sie dann. »Allerdings nicht, weil er krank ist. Alles andere erzähle ich dir später. Aber jetzt bring mich zu Duncan.« Sie bedeutete Ningali, draußen zu bleiben, und ging auf die Tür des Lazaretts zu.
    Es verschlug ihr fast den Atem, so heiß und stickig war es hier. Unter der niedrigen Decke des großen, langgestreckten Raums staute sich die Hitze des Tages. Es roch durchdringend nach Essig, nach Schweiß, Eiter und Krankheit, irgendwo stöhnte jemand laut. Entlang der Wände standen dicht an dicht die einfachen Pritschen für die Kranken. Nicht alle waren belegt. An einigen Wandhalterungen waren Talglichter befestigt. Moira holte durch den Mund Luft, während sie Joseph durch die Reihen folgte, ihr Herz klopfte laut in einer Mischung aus Sehnsucht, Angst und Vorfreude.
    Sie sah Duncan, noch bevor Joseph ihn erreicht hatte. Die leichte Decke war zurückgeschlagen, er trug das einfache lange Hemd, das alle Kranken hier bekamen, und um seinen Hals hing eine Schnur mit einer einzelnen türkisfarbenen Feder. Als er sie erblickte, ging ein erschöpftes Lächeln über sein verschwitztes Gesicht, er versuchte sich

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