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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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dann war Joseph wieder gegangen.
    Auch Yani war nicht mehr da. Duncan hatte sie fortgeschickt, weil er ihre übertriebene Fürsorge nicht länger ertragen hatte.
    Jetzt wünschte er, sie wäre bei ihm. Oder Ningali …
    Sobald es seiner Schwester erlaubt gewesen war, sich wie de r frei zu bewegen, war sie zu ihm gekommen, hatte bei ihm gesessen, sich um ihn gekümmert. Wo war das Mädchen jetzt bloß? Ach, richtig, er hatte es ja selbst losgeschickt. Zu Moira. Mochte sein Vater denken, was er wollte, aber er, Duncan, musste wissen, was passiert war. Ob es Moira und dem Kleinen gutging.
    Ningali hatte ihm stumm zugehört und war dann ohne ein Wort verschwunden. Hatte sie ihn richtig verstanden? Wusste sie, was er von ihr wollte? Er konnte nur hoffen und warten und beten. Und erneut Fieber und Schmerzen ertragen.
    Er schob die stinkende Decke noch weiter von sich. Die kunstvoll eingeritzten Tiere, die man mit Fett und Erde eingerieben hatte, bewegten sich erneut. Erwachten im dumpf glühenden Licht zum Leben, begannen einen langsamen, hypnotischen Tanz. Jedes Tier für sich und doch alle gemeinsam. Hin und her, vor und zurück.
    Er stöhnte auf und ließ sich mit geschlossenen Augen wieder zurücksinken. Hinter seinen Lidern brannte die Hitze, sein Kopf dröhnte. Seine Gedanken fuhren hin und her, hielten sich nirgendwo fest, formten sich zu schemenhaften Figuren, die ihm sofort wieder entglitten, sich neu bildeten und wieder verschwammen; ein wirbelndes Wechselspiel aus Bildern, Eindrücken und Erinnerungen …
    â€¦ Die kleine Herde stämmiger Pferde bei den Tinkers . Gesang und wilde Tänze um ein großes Lagerfeuer. Raue, verschwitzte Gesichter unter dunklen Haaren, lachend und lärmend. Die Geborgenheit des fahrenden Volkes.
    Die Stimme des Kerkermeisters. »Dein Vater? Den haben sie vorhin gehängt.«
    Entsetzlicher Hunger, der in seinen Eingeweiden wühlte. Der Geschmack des Kerzenwachses, der seinen kindlichen Magen nur für kurze Zeit besänftigte.
    Der Geruch nach Hammelfleisch und Kohl, der durch das ganze Pfarrhaus wehte, wenn Emily, die Haushälterin des Pfarrers, Stew kochte.
    Â»Siehst du, du kannst es doch!« Das glückliche Gesicht von Vater Mahoney, als sein Ziehsohn zum ersten Mal fehlerfrei einen Psalm abgeschrieben hatte.
    Das kalte Metall der Handschellen um seine Handgelenke.
    Vater Mahoney, wie er vom Schlag getroffen zusammensank.
    Das Tröpfeln von Wasser an der Wand, das leise Huschen kleiner Rattenfüße über den Kerkerboden.
    Die würgende Übelkeit in der engen Unterkunft unter Deck. Der betäubende Geruch nach abgestandener Luft und Erbrochenem.
    Ein grobschlächtiges Gesicht unter einem wirren roten Haarschopf. Samuel Fitzgerald, Gefährte seiner Sträflingszeit. Verloren in der Bucht am Hawkesbury.
    Und immer wieder Moira.
    An Deck der Minerva, stolz und unnahbar.
    Auf dem Heuboden des Kutschenhauses, lachend und erhitzt, mit hochgerutschtem Rock, der ihre blütenweißen Strümpfe zeigte.
    Leichenblass inmitten der Zuschauermenge, als man ihn zur öffentlichen Züchtigung an den Stamm der großen Tanne band.
    Verschwitzt und glücklich, mit dem winzigen Neugeborenen im Arm.
    Am Strand des …
    Â»Dan-Kin?«
    Mit einem Ruck fuhr er hoch und sank sofort wieder stöh nend zurück, als ein wütender Schmerz in sein Bein biss.
    Hell schien die Sonne durch die Blätterwände und legte einen gleißenden Strahlenkranz um den Kopf der Gestalt neben seinem Lager. Wie ein Engel sah sie aus. Erst als die Gestalt sich bewegte, erkannte er sie. »Ningali!«
    Mit einem Schlag war er hellwach.
    Noch immer konnte er nicht in ihrem braunen, unbewegten Gesicht lesen, als sie sich jetzt über ihn beugte und ihm die Wasserschale reichte. Seine Zunge klebte am Gaumen, er war völlig ausgetrocknet. Schwerfällig setzte er sich auf und trank die Schale mit ein paar hastigen Schlucken aus.
    Â»Hast du sie gesehen?«, stieß er hervor. »Hast du Moira gesehen?«
    Das Mädchen hatte sich neben ihm niedergelassen und blickte ihn mit seinen großen, dunklen Augen an. Dann nickte es.
    Duncan seufzte auf. Erleichtert, aber da war noch ein anderes Gefühl in seiner Brust. Angst.
    Â»Konntest du mit ihr reden? Wie geht es ihr?«
    Ningali schwieg. Himmel, dieses Mädchen machte ihn noch verrückt. »Ningali, bitte! Was hat sie gesagt? Geht es ihr gut?«

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