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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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ihrer Schulter zu brennen, er atmete angestrengt. Sie konnte seinen Herzschlag als ein rotes, viel zu schnell pulsierendes Flimmern sehen, das seinen Körper umgab.
    Bun-Boe hatte nicht gemerkt, dass sie nicht nachkamen. »Biyanga« , rief sie. »Vater.«
    Er wandte sich um. »Wir sind bald da«, sagte er in der Sprache der Weißen und deutete nach vorne. »Ich sehe schon die Straße.«
    Dann fiel sein Blick auf seinen Sohn, und Bestürzung zeichnete sich auf seinen hageren Zügen ab. Mit langen Schritten bahnte er sich den Weg zurück.
    Dan-Kin taumelte, als er sich an einen der breiten Baumstämme lehnen wollte. Der mannshohe Stock, der ihm als Krücke diente, fiel ins Gras. Ningali versuchte, ihn zu stützen, seinen vor Fieber glühenden Körper zu halten. Aber er war zu schwer für sie; sie konnte nicht verhindern, dass er in ihren Armen zusammenbrach und sie mit nach unten zog.

12.
    Seit Stunden, so schien es Moira, hatte sie sich nicht bewegt. Hatte nur dagesessen und auf die Maserung des einfachen Holztisches gestarrt, während um sie herum die Schatten länger wurden. Nur einmal hatte sie sich aufgerafft und sich darum gekümmert, dass Hühner, Pferd und Katze etwas zu fressen bekamen. Sie selbst bracht e nichts herunter. Nicht seit Joey wieder bei McIntyre war. Sie hatte sich nicht einmal mehr von ihrem Jungen verabschieden dürfen.
    Diese ganze Geschichte würde ein Nachspiel haben. Sie hatte schließlich ein Kind entführt, auch wenn es ihr eigenes war. Und dann war da noch die ausstehende Strafgebühr für die unerlaubte Taufe. Aber all das kümmerte Moira nicht. Sollten sie sie doch anklagen oder gleich ins Gefängnis stecken. Sie fühlte sich vollkommen leer, zu Tode erschöpft. Sie beugte sich vor und legte den Kopf auf den Tisch. Nichts hören. Nichts sehen.
    Noel strich um ihre Beine, dann sprang er auf den Tisch und rieb seinen Kopf schnurrend an ihrem. Sie blickte nicht einmal auf.
    Auch nicht, als es leise an der Tür kratzte. Nein, sie würde nicht aufstehen. Sie wollte mit niemandem sprechen.
    Sie hörte, dass jemand die Tür öffnete, dass sich Schritte fast lautlos in der Hütte bewegten.
    Â»Mo-Ra?«
    Ningali?
    Müde hob sie den Kopf. Es war tatsächlich das Mädchen. Schon gestern war Ningali bei ihr gewesen, kurz nachdem die Soldaten Moira zurückgebracht hatten.
    Â»Was tust du hier?«, murmelte Moira.
    Ningali sagte nur ein Wort. »Dan-Kin.«
    Duncan? Ein Hauch von Hoffnung schoss durch Moiras Adern. »Ist er hier? Ist Duncan zurückgekommen?« O bitte, wenigstens das …!
    Sie sprang auf, stolperte dabei fast über Noel, der mit ­einem empörten Fauchen davonschoss, stürzte zur Tür und blickte nach draußen. Die Sonne neigte sich dem Horizont zu, über den Himmel breiteten sich erste rote Schlieren aus. Niemand war zu sehen, nur das Weizenfeld, Büsche und Bäume.
    Ningali stand in der Hütte und sah sie an. In ihren unbewegten Zügen glaubte Moira Sorge zu lesen.
    Â»Dan-Kin«, sagte Ningali. »Dan-Kin krank. Mo-Ra komm.«
    Mit zwei schnellen Schritten war Moira bei dem Mädchen. »Was? Was sagst du da? Duncan ist krank?«
    Ningali nickte.
    Â»Was fehlt ihm denn? Und wo ist er, Ningali? Wo?«
    Â»Parramatta.« Das Mädchen öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Suchte nach Worten. »Haus … für … für krank. Bun-Boe bringt.«
    Â»In einem Haus für Kranke? Du meinst, im Lazarett? Im Lazarett von Parramatta?«
    Ningali nickte erneut. »Komm. Zu Dan-Kin.«
    Der Schreck über diese neuerliche Hiobsbotschaft war Moira in alle Glieder gefahren, sie spürte, wie sie zitterte. Aber die Lähmung, die sich Stunden zuvor wie ein schwarzes Tuch über ihren Geist gelegt hatte, war verschwunden. Das Leben und damit auch ihre Entschlusskraft strömten mit neuer Energie durch sie. Sie musste sofort zu Duncan. Ohne das Mädchen.
    Sie bemühte sich, ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. »Ningali«, sagte sie. »Ich danke dir sehr, dass du mir Bescheid gegeben hast. Aber ich kann dich nicht mitnehmen. Nicht nach Parramatta. Es ist zu gefährlich.«
    Das Mädchen trug lediglich ein schmales Tuch und eine Schnur um die Hüfte. Trotz seiner blonden Haare sah man ihm schon auf Entfernung seine Abstammung an. Und in Parramatta durfte jeder ungestraft auf Eingeborene schießen.
    Ningali

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