Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
einholte, dunkel wie die stürmische See, und genauso unerbittlich.
Johanna nickte. Ihr Herz krampfte sich schmerzvoll zusammen, und doch verstand sie ihn. Was hätte sie auch erwarten sollen? Dass er für immer ungebunden blieb, bis sie beide alt und grau waren? Oder hoffen, ihr Mann würde von Gott eher zu sich gerufen, damit sie noch ein paar Jahre zusammenbleiben konnten? Nein, das war Irrsinn.
» Wie hättest du mich je lieben können, nachdem ich dich zur Witwe gemacht habe? «
» Ich liebe dich aber trotzdem! «
» Das ist etwas anderes. Waters hat dir nach dem Leben getrachtet, und ich habe dich verteidigt, aber stell dir vor, ich wäre eines schönen Tages bei euch an Lake Tarapunga aufgetaucht und hätte deinen Mann erschossen, was dann? «
Johanna schüttelte den Kopf. Sie wusste es nicht. Wenn Liam so kaltblütig wie Thomas gewesen wäre, hätte sie ihn wohl davongejagt. » Bist… bist du denn glücklich mit ihr? «
Liam wandte den Blick ab, sah aus dem Fenster, wo das Leben normal weiterging.
» Wir sind Freunde. «
» Freunde? « Johanna spie das Wort aus, als hätte sie eine Handvoll Dreck im Mund.
» Versteh doch, Johanna, zwischen dir und mir wird sich nichts ändern. Wir können uns sehen, wann immer du willst. Zieh irgendwo aufs Land in die Nähe von New Plymouth. Ich verspreche, dass ich mich um dich und unser gemeinsames Kind kümmern werde. «
» Kein Wort mehr. «
» Johanna tu’ das nicht! Ich kann dir alles erklären. «
» Ich will es gar nicht hören! Geh jetzt. Geh! « Sie bebte am ganzen Körper, so wütend war sie. Wie konnte er nur! Wie konnte er seine frisch angetraute Ehefrau willentlich betrügen?! Und was glaubte er, wer sie war? In seine Nähe ziehen, wie eine Mätresse, zu der er gehen konnte, wenn es ihm zu Hause zu langweilig wurde!
Sie drehte sich um und starrte so lange mit brennenden Augen vor sich hin, bis Liam sich endlich zum Gehen wandte. Seine Stiefel klangen schwer auf den Holzboden, während er hinaushinkte.
Dann kamen die Tränen.
Liams Schritte waren kaum verklungen, als jemand anderes das Zimmer betrat.
» Ma’am, darf ich eintreten? «
Die Stimme war vertraut.
» Lord Bellinghouse? «
Sie setzte sich im Bett auf und wischte sich hastig über das Gesicht. » Kommen Sie herein. «
Der Offizier schob den Vorhang zur Seite. Er deutete eine Verbeugung an und wich ihrem Blick aus. Noch mehr schlechte Neuigkeiten. Er drehte die Handschuhe in seinen Händen, als müsse er sich selbst überzeugen, ihr die Wahrheit zu sagen.
» Haben Sie meinen Ehemann gefunden? « , erkundigte sich Johanna unsicher.
» Um ehrlich zu sein, nein. Meine Männer waren an der bezeichneten Stelle, sie haben alles abgesucht, aber da war nichts. Die Spuren eines Kampfes waren deutlich zu erkennen. Es war die richtige Stelle, aber der Körper war nicht da. «
» Aber wie kann…? «
» Es gibt noch andere Trupps, die damit betraut sind, die Toten zu bergen und die schon seit vergangener Nacht unterwegs sind. Ich kann es mir nur so erklären, dass Mr Waters’ sterbliche Überreste bereits geborgen worden sind. Womöglich ist er auch schon bestattet. Ich wünschte, ich könnte Ihnen bessere Nachrichten bringen, aber er hat bestimmt ein christliches Begräbnis erhalten. «
Der Offizier ging auf und ab wie ein eingesperrtes Tier. Er war ein Freund von Liam und jetzt auch sein Schwager, rief sie sich in Erinnerung. » Mrs Waters? «
» Ja? «
» Erwägen Sie gegen Liam Fitzgerald gerichtliche Schritte einzuleiten? «
» Nein. Er hat mein Leben verteidigt. Ich kann es bezeugen. «
Adam Bellinghouse sah sie prüfend an.
» Sie wissen, wie es für andere aussieht. Sie als schwangere Frau und das Duell der beiden Männer, oder sollte ich Rivalen sagen? Es war die Familie Ihres verstorbenen Gatten, die Liam Fitzgerald für beinahe ein Jahr in den Tower gebracht hat. Und nun gehen die beiden hier in Neuseeland aufeinander los! «
» Liam war im Gefängnis? «
» Das wussten Sie nicht? «
Johanna schluckte. Nein, Liam hatte es nie erwähnt. Ein Jahr im Gefängnis, und er hatte ihr nichts davon erzählt.
» Was ist geschehen? «
» Das soll er Ihnen selber sagen. Es war ein Komplott. Es könnte das Ansehen Ihres Mannes im Nachhinein noch mehr beschädigen. Entschuldigen Sie mich. «
» Lord Bellinghouse! «
» Es tut mir leid, ich kann Ihnen nicht mehr sagen. «
Er ging und ließ Johanna allein.
Mai 1848
Petre
J ohanna stand auf dem Hügel, auf dem sie die Gefallenen
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