Im Taumel der Herzen - Roman
Menschen in deinem Leben?«
»Wie kannst du es wagen, über mich zu urteilen!«, fauchte Milton. »Schließlich war es deine Mutter, die mir das alles eingebrockt hat – durch ihre Schulden und die Schulden ihrer Eltern! Und als Krönung des Ganzen hat sie auch noch dafür gesorgt, dass ich mich mit dir herumschlagen musste! Deswegen hatte ich es dir zugedacht, das Unrecht wiedergutzumachen. Deine Aufgabe wäre gewesen, dieser Familie zu neuem
Wohlstand zu verhelfen. Und nun sieh dir an, was du getan hast, du undankbarer Welpe!«
»Bist du überhaupt mein leiblicher Vater?«
»Immerhin habe ich dich großgezogen, oder etwa nicht?«, gab Milton in abwehrendem Ton zurück.
»Das ist keine Antwort auf meine Frage. Außerdem kann man das, was du getan hast, wohl kaum als ›Großziehen‹ bezeichnen. Wenn ich nicht dein leiblicher Sohn bin, wäre es mir lieber gewesen, du hättest mich weggegeben, und sei es an den ärmsten Ackerbauern. Jedes andere Leben wäre mir lieber gewesen als das, das ich hier mit dir geführt habe.«
»Das hätte ich in der Tat tun sollen! Natürlich bist du nicht mein Sohn! Deine Mutter konnte es kaum erwarten, mir diese Tatsache ins Gesicht zu schleudern, als sie aus London zurückkam. Sie musste mir unbedingt erzählen, wie sie herumgehurt hatte, um dafür zu sorgen. Lachend gestand sie mir, es hätte so viele Männer gegeben, dass sie gar nicht wüsste, wer dein Vater sei. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich sie gehasst habe.«
»Und mich«, ergänzte Richard.
»Ja! Und dich.«
»Ich fürchte, das ist noch nicht alles«, meldete Charles sich zu Wort, der hinter ihnen im Türrahmen aufgetaucht war.
»Sieh zu, dass du wieder verschwindest, Charles!«, befahl Milton. »Das geht dich nichts an.«
»Doch, das tut es«, widersprach Charles, während er ins Zimmer trat. »Und es wird höchste Zeit, dass ich endlich mit der Wahrheit herausrücke. Mutter hat mir nämlich alles erzählt. Ich war damals ihr einziger Vertrauter. Es sollte unser Geheimnis bleiben. Dabei war ich zu jenem Zeitpunkt noch kaum alt genug, um das alles zu verstehen, und ihre Wut machte mir oft Angst. Sie hat dich so sehr gehasst. Ich habe versucht, dich auch zu hassen, aber ich konnte es nicht. Richard
ist tatsächlich nur mein Halbbruder, aber der Bastard, den sie dir angehängt hat, bin ich . Richard ist dein leiblicher Sohn.«
Milton ließ sich auf seinen Sessel zurückfallen. Er war kreidebleich geworden. »Du lügst!«
»Nein, ich sage endlich die Wahrheit. Mutter hat nach Rache gelechzt und es dir auf zweifache Weise heimgezahlt. Sie wollte dich dazu bringen, deinen Bastard zu lieben und deinen leiblichen Sohn zu hassen. Mein Vater war der Mann, den sie geliebt hat und eigentlich heiraten wollte. Sie kannte ihn schon ihr ganzes Leben lang, aber da seine Familie nicht reich genug war, haben ihre Eltern sie stattdessen mit dir verheiratet.«
»Du lügst!«, rief Milton erneut.
Charles schüttelte traurig den Kopf. »Sie hat meinen Vater bis zu ihrem Tode geliebt. Die beiden haben sich täglich hier in der Nähe im Wald getroffen, doch dann wurde er eines Tages wegen eines Notfalls nach Hause gerufen und kam unter mysteriösen Umständen ums Leben. Mutter gab dir die Schuld an seinem Tod. Sie war der festen Überzeugung, du wärst ihnen auf die Schliche gekommen und hättest seinen Tod arrangiert. Deswegen sann sie auf die schlimmste Rache. Du solltest deinen leiblichen Sohn für das Produkt ihrer Untreue halten. Als sie nach London ging, war sie bereits mit Richard schwanger. Ebenso sicher hatte sie gewusst, dass sie bald nach eurer Heirat das Kind ihres Geliebten zur Welt bringen würde. Hast du dich nie gefragt, warum sie zu dir ins Bett gekrochen kam und um ein Kind bettelte, obwohl sie dich doch hasste?«
Milton war zu schockiert, um ihm darauf eine Antwort zu geben. Stattdessen starrte er Richard an, den er plötzlich mit ganz anderen Augen sah. Julia war ebenfalls sprachlos. Das war keine richtige Familie: nichts als Hass, Lügen und Rache. Dass ihr Gatte über dieses Erbe hinausgewachsen und zu einem so zärtlichen, liebevollen Mann geworden war, grenzte an
ein Wunder. Seltsamerweise machte Richard den Eindruck, als würde ihn das, was er gerade erfahren hatte, überhaupt nicht berühren.
»Tja, da habe ich mich wohl zu früh gefreut«, bemerkte er trocken.
»Es tut mir leid, Richard«, sagte Charles mit beschämter Miene. »Mutter wollte, dass ich es ihm zu einem passenden Zeitpunkt sage,
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