Im Taumel der Herzen - Roman
solchen zu betrachten.«
»Er hat deiner Meinung nach also nichts von einem Unhold? « Carols Stimme klang plötzlich triumphierend. »Dann sieh ihn dir jetzt einmal genau an! Wenn diesem Mann nicht die Mordlust aus den Augen blitzt, dann weiß ich es auch nicht!«
Stirnrunzelnd wandte Julia den Kopf in Carols Blickrichtung und musste ihrer Freundin leider recht geben. Obwohl sie schon viele Male mit James Malory zusammengetroffen war, hatte sie ihn noch nie so erlebt. Wenn Blicke töten könnten, hätte irgendjemand im Raum längst das Zeitliche gesegnet.
6
I ch fasse es nicht, dass du dich hier blicken lässt!«, zischte Gabrielle, während sie Richard energisch den Finger in den Rücken stieß, um ihn auf sich aufmerksam zu machen.
Mit einem verzweifelten Stöhnen wandte er sich zu ihr um. Obwohl er wusste, dass sein ganzes Gesicht unter einer traurigen Clownsmaske verborgen lag, unter der es noch dazu verdammt heiß war, hatte er sich bis dahin erfolgreich bemüht, nicht in das Blickfeld von Gabby, James und den beiden anderen alten Bekannten zu geraten, die er in der Menge zu erkennen glaubte. Auf keinen Fall würde er sich ein weiteres Mal von Gabby die Leviten lesen lassen. Inzwischen hatte er nämlich seinerseits ein Hühnchen mit ihr zu rupfen.
»Und ich fasse nicht, wie du mir verschweigen konntest, dass es sich bei Georginas Geburtstagsfest um einen Maskenball handelt! War dir denn nicht klar, wie perfekt das ist? Dadurch sind all deine Bedenken hinfällig … Wie zum Teufel hast du mich überhaupt erkannt?«
»An deinem Haar natürlich.«
»Vielleicht hätte ich mir ein Kleid anziehen sollen«, witzelte er. »Warum bin ich bloß nicht eher auf diese Idee gekommen? «
»Weil du längst nicht mehr schmal genug bist, um als Frau durchzugehen, selbst wenn es Damen deiner Größe gäbe, was jedoch nicht der Fall ist. Los, zieh den Kopf ein, bevor er dich
entdeckt!«, zischte sie, während sie Richard an den Rand der Menge zog.
Das klang schon wieder sehr nach ihrer letzten Diskussion. Richard hatte das Gefühl, ein weiteres Nein nicht ertragen zu können. Seit ihrer Ankunft am Londoner Hafen erwies Gabrielle sich als unerbittlich. Nachdem sie sich zu fünft eine Kutsche teilen mussten, war ursprünglich geplant gewesen, dass Ohr und er die drei anderen – Gabrielle, Margery und Drew – vor dem Stadthaus der Malorys absetzen sollten, ehe sie beide sich ihrerseits nach einer Unterkunft umsahen. Doch Gabrielle hatte bereits ihr Veto eingelegt, noch bevor sie die Hafenanlagen verlassen hatten. Sie hatte Richard beiseitegezogen und ihm erklärt, sie wollte nicht, dass er sich auch nur in die Nähe des besagten Gebäudes wagte, und wäre es nur an den Randstein vor dem Haus.
»Nun übertreibst du es aber! Wahrscheinlich erinnert er sich nicht mal mehr an mich. Er ist beinahe doppelt so alt wie ich und daher bestimmt schon recht vergesslich.«
Gabrielle hatte ein ungläubiges Lachen ausgestoßen. »Du bezeichnest James Malory als alt, obwohl er in der Blüte seiner Jahre steht? Mach dir nichts vor! Du magst ja ein wenig zugelegt und eine recht passable Figur bekommen haben, seit er dich das letzte Mal gesehen hat, aber dein Gesicht ist nach wie vor dasselbe, und noch dazu so schön, dass man es sehr leicht im Gedächtnis behält. Ich würde dich überall wiedererkennen, und bestimmt geht es ihm genauso. Verdammt noch mal, selbst dein altes Kindermädchen würde dich vermutlich wiedererkennen!«
»Ich hatte nie ein Kindermädchen«, entgegnete er steif.
»Du weißt genau, was ich meine. Er wird dich entdecken und als den Mann wiedererkennen, der von seiner Frau geohrfeigt wurde, weil er ihr in ihrem eigenen Garten und vor den Augen ihrer zwei kleinen Kinder Avancen machte! James hätte
dich noch am selben Tag aufgespürt, wenn ich ihm nicht versprochen hätte, dass du dich nie wieder in ihrer Nähe blicken lassen würdest, und er hat auch keinen Zweifel daran gelassen, was passieren würde, wenn du auf die Idee kommen solltest, mein Versprechen zu brechen.«
Als wüsste er das alles nicht selbst! Als würde das irgendeinen Unterschied machen, wo er doch mit jeder Faser seines Körpers nach Georginas Anblick lechzte!
»Sei nicht so herzlos, Gabby!«, versuchte er, an ihre weichere Seite zu appellieren. »Ich werde ihr nicht zu nahe kommen, aber du musst mir wenigstens gestatten, sie ein letztes Mal zu sehen. Das könntest du doch für mich arrangieren. Dieser Grobian, mit dem sie verheiratet ist,
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