Im Taumel der Herzen - Roman
mit dieser Investitionsstrategie vollkommen übereinstimmte, hatte sie sich zwar geweigert, Boyd das gewünschte Stadthaus zu verkaufen, es ihm aber langfristig zur Miete überlassen, womit er zufrieden war.
Ja, sie kannte die Malorys gut und wusste auch, dass einige von ihnen – genau wie andere Angehörige der vornehmen Gesellschaft – Mitleid mit ihr empfanden. Nicht, weil sie bereits eine alte Jungfer in ihr sahen, sondern weil ihnen bewusst war, dass sie erst heiraten konnte, wenn ihr verschwundener Verlobter nach England zurückkehrte, was aller Wahrscheinlichkeit nach niemals der Fall sein würde.
Julia hatte mit dieser Art von Mitleid im Grunde kein Problem. Gütiger Himmel, vermutlich würde sie genau dasselbe empfinden, wenn eine andere Frau sich in dieser beklagenswerten Situation befände! Obwohl die meisten Leute höflich genug waren, ihre Verlobung nicht zur Sprache zu bringen,
wenn sie sich mit ihr unterhielten – von Percy einmal abgesehen! – , würde sich das alles bald ändern. Zumindest hoffte sie das. Nach ihrem Gespräch mit Carol hatte sie gleich am nächsten Tag ihren Anwalt aufgesucht. Er hatte die Sache bereits in Angriff genommen, Julia aber darauf vorbereitet, dass der Graf von Manford höchstwahrscheinlich alles in seiner Macht Stehende tun würde, um die juristische Regelung der Angelegenheit zu verzögern. Unter Umständen würde es also länger dauern, als sie gedacht hatte, bis sie den schrecklichen Vertrag endlich los war.
»Ich habe es doch gewusst!«, rief Carol, während sie neben Julia trat. »Man braucht ihn nur anzusehen, um zu wissen, dass alles wahr ist – jede brutale, scheußliche Einzelheit, die je über ihn erzählt wurde!«
Julia verbiss sich ein Lachen. Carol klang so ernst! Doch als sie ihre Freundin erneut ansah, deren zartrosa Domino-Maske ähnlich wie die ihre mit funkelnden Steinen besetzt war, begriff Julia, dass Carol es tatsächlich ernst meinte. Ihre Freundin würde umgehend zur Tür hinausmarschieren, außer, Julia konnte sie ganz schnell davon überzeugen, wie albern es war, ihre Meinung über James Malory auf bloße Gerüchte zu gründen.
Wobei die beiden jüngeren Malory-Brüder, James und Anthony, früher wohl wirklich wilde Kerle gewesen waren, die nie ein Duell verloren, egal, ob es mit Fäusten oder Pistolen ausgetragen wurde, sodass sie in der Tat als recht gefährlich galten. Leider konnte so etwas leicht zu viel schlimmeren Behauptungen führen. Einige der Spekulationen bezüglich der Frage, warum James sich nach dieser zweifelhaften Karriere so lange von England ferngehalten hatte, waren einfach lächerlich. Er wäre nach Australien in die Strafkolonie geschickt worden, wo er bei der Flucht all seine Wärter getötet hätte, wäre als Pirat auf hoher See gesegelt, um nur zum Spaß Schiffe zu versenken,
und wäre als Anführer der Cornwall-Schmuggler schließlich wegen Mordes ins Gefängnis geworfen worden. Das waren nur ein paar von den etwas ausgefalleneren Geschichten, welche sich Leute, die weder ihn noch seine Familie persönlich kannten, über diesen Mann zuflüsterten.
Zwar ging es im Grunde niemanden etwas an, weshalb James für so viele Jahre verschwunden war oder was er während seiner Abwesenheit getan hatte, doch die vornehme Gesellschaft war berüchtigt für ihre Neigung zum Klatsch. Wobei es in der Regel genug echte Skandale gab, um die Neugier der Leute zu befriedigen. Manche aber wollten Antworten, die sie nicht erhielten, und erfanden daraufhin einfach ihre eigenen!
Julia war sicher, dass die meisten Gerüchte um James Malory jeder faktischen Grundlage entbehrten. Dass in seinem Fall so gern in die falsche Richtung spekuliert wurde, lag zum einen an seiner bedrohlichen Ausstrahlung, zum anderen aber auch daran, dass er sich so selten sehen ließ und den Leuten dadurch keine Möglichkeit gab, ihn kennenzulernen. Julia bezweifelte keineswegs, dass er tödlich sein konnte, wenn man ihn provozierte, aber welcher Mensch, der einigermaßen bei Verstand war, käme schon auf die Idee, ihn zu provozieren?
Groß, blond und gut aussehend, hätte James selbst dann alle Blicke auf sich gezogen, wenn die Gäste nicht sofort erraten hätten, wer der Mann war, der nicht von der Seite des schönen, zierlichen Ehrengastes im rubinroten Ballkleid wich. Die beiden gaben ein umwerfendes Paar ab. Allerdings trug James im Gegensatz zu allen anderen keine Maske. Das ihm zugedachte Exemplar baumelte am Arm seiner Gattin, und Julia war nicht
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