Im Taumel der Herzen - Roman
Verspätung hatte und bestimmt jeden Moment eintreffen würde, schlug Richard vor: »Vielleicht, wenn sie da ist?«
Der Kerl schüttelte immer noch den Kopf. »Das kann ich nicht machen. Sie hat die Maske extra für mich gekauft. Wissen Sie, was passiert, wenn ein Mann etwas hergibt, das seine Liebste für ihn gekauft hat?«
Da sonst niemand außerhalb des Ballsaals eine ähnlich perfekte Verkleidung trug, fiel Richards Seufzer höchst mitleiderregend aus. Dabei war ihm selbst klar, dass er besser gehen sollte. Die Weigerung des Mannes, ihm seine Maske zu überlassen, stellte vermutlich einen wirklichen Wink des Schicksals dar.
Doch der junge Lord hatte sein Seufzen offenbar gehört. »Die meine können Sie nicht haben, aber ich bin in Begleitung eines Freundes gekommen. Vielleicht tut er Ihnen den Gefallen.«
Der junge Lord entpuppte sich nun doch als guter Kerl und ging sogar hinein, um seinen Freund zu holen, sodass der Tausch bald vollzogen war. Unglücklicherweise entsprach die neue Maske überhaupt nicht Richards Vorstellungen: eine Teufelsfratze mit Porzellanhörnern, die noch dazu nur das halbe
Gesicht bedeckte, sodass sein Mund voll zu sehen war. Und wenn schon, dachte Richard, allein am Mund war ein Mensch bestimmt nicht zu erkennen. Außerdem blieb ihm keine andere Wahl. Zumindest würde Gabrielle ihn nicht mehr so leicht enttarnen, auch wenn sie womöglich den Mann ansprach, der seine alte Clownsmaske trug. Letztendlich aber würde sie dadurch nur in eine etwas peinliche Situation geraten und umso eher aufhören, nach ihm Ausschau zu halten – in der Annahme, dass er tatsächlich gegangen war.
Ein weiteres Mal zu seiner Zufriedenheit verkleidet – nun hatte er sogar sein langes Haar unter den Mantel gestopft –, machte Richard sich bereit, erneut alles aufs Spiel zu setzen, um Georgina noch ein paar Stunden aus der Ferne anschmachten zu können. In seinem Hinterkopf vernahm er eine warnende Stimme. Obwohl diese Stimme laut und deutlich die Befürchtung äußerte, er könnte sich zu mehr hinreißen lassen, ignorierte er sie. Er musste sie einfach ignorieren. Dabei wollte er gar nicht wirklich sterben, nur weil er die Frau eines anderen liebte.
7
D er bedrohliche Ausdruck in James Malorys Augen war keineswegs flüchtiger Natur, sondern blieb bestehen, weshalb Julias Neugier allmählich die Oberhand gewann, doch leider konnte sie nicht sehen, wer derart seine Wut erregt hatte. Wer auch immer es war, stand auf derselben Seite des Raumes wie sie, aber Dutzende von Leuten versperrten ihr die Sicht. Als Carol schließlich versuchte, sie zurück zu ihrem Mann Harry zu lotsen, um sie dem Freund vorzustellen, mit dem Harry sich gerade unterhielt, entschuldigte Julia sich für ein paar Minuten und bahnte sich rasch einen Weg durch die Menge. Dabei war sie hin und wieder gezwungen, einem anderen Gast über die Schulter zu spähen oder sich auf die Zehenspitzen zu stellen, um einen Blick auf James zu erhaschen und sich zu vergewissern, dass sie sich seiner Blickrichtung näherte.
Nach ein paar Minuten hatte sie ihn endlich gut im Visier, musste zu ihrer Enttäuschung allerdings feststellen, dass sie zu spät kam: James hatte seine Aufmerksamkeit inzwischen wieder seiner Frau zugewandt und beugte sich gerade hinunter, um etwas zu ihr zu sagen. Er küsste sie sogar auf die Wange, was im Raum sofort einen kollektiven »Oh … ah, ist das nicht süß?!«-Seufzer auslöste, gefolgt von ein paar verlegenen Lachern.
Georgina, die diese Reaktion der Menge mitbekommen hatte,
musste ebenfalls lachen, während James die Augen zur Decke verdrehte – zweifellos vor Verzweiflung, weil der Seufzer ihm natürlich auch nicht entgangen war. Dann wurde Georgina jedoch von einem ihrer zahlreichen Verwandten abgelenkt, der neben sie getreten war, um sich mit ihr zu unterhalten, woraufhin James den Blick wieder in dieselbe Richtung wandte wie zuvor.
Genau wie vorhin Carol lief es nun auch Julia kalt den Rücken hinunter, als sie für einen Moment das Gefühl hatte, dass dieser bedrohliche Blick ihr galt! Dann aber begriff sie, dass James wohl eine der vier Personen anstarrte, die mit dem Rücken zu ihr am Rand der Tanzfläche standen. Die Musik wurde kurz unterbrochen, sodass die wenigen tanzenden Paare das Parkett verließen, was Julia einen noch besseren Blick auf James verschaffte. Während seine steinerne Miene nach wie vor keinerlei Gefühlsregung verriet, war in seine grünen Augen ein mörderischer Ausdruck getreten.
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