Im Taxi - unterwegs in Kairo
seinem Auto ein Taxi. Aus einem seriösen Beruf wurde ein Job für Versager und Langzeitarbeitslose. Eine einzige Katastrophe!«
»Wann war das denn?«, fragte ich.
»Mitte der neunziger Jahre. Plötzlich war alles erlaubt. Ehrlich, ich kenne Leute, die Autos hatten, die reif für den Schrottplatz waren, und daraus Taxis machten. Genau zur selben Zeit schuf man das Umweltministerium. Dort wurde behauptet, dass alte Autos die Luft verschmutzen und Teer freisetzen, der in die Lungen dringt. Sie schickten Leute auf die Strassen, um den Schadstoffausstoss an den Auspuffenzu messen. Die haben uns das Leben schwergemacht, konnten aber letztlich nichts gegen uns unternehmen.
Die einen vertraten damals die eine Meinung und die andern eine völlig gegensätzliche, dabei gehörten sie derselben Regierung an. Wie das geht? Keine Ahnung. Jedenfalls sind die Strassen seitdem voll von Taxis. Wissen Sie, wie viele es in Kairo gibt?«
»Nein, ich habe keinen Schimmer.«
»Heute gibt es über achtzigtausend, also viel zu viele. Können Sie mir sagen, wovon wir Fahrer leben sollen? Ich weiss es nämlich nicht.«
»Das war tatsächlich ein seltsamer Erlass, dass jedes Auto in ein Taxi umgewandelt werden kann.«
»Was heisst hier seltsam, das ist doch ein alter Trick. Was ist denn passiert, nachdem das beschlossen worden war?«
»Was denn?«
»Wie gesagt, Unmengen von Autos wurden zu Taxis gemacht. Das war ein einträgliches Geschäft für die Regierung und viele andere Leute. Damit nämlich ein Auto als Taxi zugelassen wird, muss man beim Verkehrsamt die Lizenzgebühr und den ganzen Quatsch bezahlen. Ausserdem müssen die neuen Fahrer einen Taxiführerschein erwerben. Das bringt ebenfalls eine Menge Geld ein. Und schliesslich müssen all diese Fahrer Taxameter kaufen.«
»Und dann?«
»Ein reicher Kerl hatte damals eine enorme Menge Taxameter importiert und hatte plötzlich das Monopolim ganzen Land. Alle neuen Taxifahrer kauften ihren Taxameter bei ihm: Er kostete bei Ratenzahlung über tausend Pfund. Das war Big Business, der verdiente sich dumm und dämlich. Ein Erlass auf einem Stück Papier, eine kleine Unterschrift, und schon verdient ein Typ Millionen!
Nach ein paar Jahren heisst es dann, es gebe zu viele Taxis und sie wüssten nicht, warum. Sie würden keine neuen Taxis mehr zulassen oder die alten in schlechtem Zustand aus dem Verkehr ziehen. Es brauche deshalb neue Bestimmungen, um Taxis, die älter als zwanzig, ja sogar älter als zehn Jahre sind, zu verbieten. Die spinnen! Mit einem Federstrich wollen die Zehntausende arbeitslos machen und nach Hause schicken, denn die meisten Taxis in diesem Land sind ja älter als zehn Jahre. Wo waren sie denn, als beschlossen wurde, dass jedes Auto in ein Taxi umgewandelt werden kann? Das sind doch dieselben Leute, die wurden noch nicht ausgewechselt.
Das Schlimmste ist, dass wir seither keine Kunden mehr haben. Die Leute können sich ein Taxi nicht mehr leisten. Wer früher bei uns Kunde war, nimmt heute den Minibus, und wir leben nur noch von den Golfarabern, die jeden Sommer kommen. Aber auch die werden uns im Stich lassen, schliesslich gibt es für sie nun die âºHauptstadt-Taxisâ¹. Die Regierung tut wirklich alles, um uns zu Bettlern oder Verbrechern zu machen. Die strengen sich richtig an, um unser Leben zu zerstören. Immerhin sind wir nicht gerade wenige Fahrer in Kairo, es gibt etwa eine Viertelmillionvon uns. Aber sie wissen nicht, dass sie damit keinen Erfolg haben werden. Schliesslich gibt es Gott, und Er gibt uns unser täglich Brot. Er ist der Versorger, und es gibt keinen Versorger ausser Ihm.«
An dieser Stelle wurde der Fahrer sehr erregt. Er legte eine Kassette ein, und wir lauschten einer Koranrezitation.
39
Ich steige oft in Taxis, deren Fahrer weder den Weg noch Strassennamen kennen. Aber dieser Fahrer leistete sich den Luxus, keine einzige Strasse zu kennen â ausser jener, in der er wohnt, natürlich. Seine absolute Unkenntnis über Kairo erstaunte mich. Er kam mir vor wie ein Blinder, der zum ersten Mal in einem riesigen Palast herumspaziert.
»Hey«, sagte ich, »sind Sie Taxifahrer oder nicht?«
»Nein, mein Herr, ich bin kein Taxifahrer.«
»Was machen Sie denn dann?«
»Ich bin Schmuggler.«
»Schmuggler?«
»Was ist denn schon dabei? Das war der letzte Wunsch meiner Mutter. âºMein
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