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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Sohn‹, sagte sie zu mir, ›nur wer auf krummen Pfaden wandelt, findet in diesem Land sein Auskommen.‹ Ausserdem schmuggle ich nichts, was meinem Land irgendwie schaden könnte. Im Gegenteil, ich tue ihm etwas Gutes, das ist eine Arbeit, auf die man stolz sein kann.«
    Â»Wollen Sie sich über mich lustig machen?«
    Â»Ich schwöre beim Heiligen Koran, dass ich Schmuggler bin. Mein Vater ist vor kurzem gestorben, ich habe ihn gerade begraben. Und nun fahre ich so lange mit seinem Taxi, bis ich weiss, was ich im Leben machen will.«
    Â»Und was schmuggeln Sie?«
    Â»Ich bin noch jung und arbeite erst seit ein paar Jahren mit einer Geschäftsfrau in Sallûm zusammen.Mit Gottes Hilfe schmuggeln wir Tabakwaren von Ägypten nach Libyen. Wir kaufen sie in Ägypten auf ehrliche Weise und verkaufen sie in Libyen auf ehrliche Weise. Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass wir unserem Land Gutes tun? Man könnte mich als Patrioten bezeichnen.«
    Â»Was meinen Sie mit Tabakwaren? Etwa Drogen?«
    Â»Drogen? Sind Sie übergeschnappt? Glauben Sie wirklich, dass einer, der mit Drogen handelt, bis zur Erschöpfung Taxi fährt und Ihnen dann erzählt, dass er Schmuggler ist? Halten Sie mich für blöd? Mit Tabakwaren meine ich Zigaretten, Schachteln mit importierten Zigaretten.«
    Â»Wie funktioniert das denn?«
    Â»Das ist ganz einfach. In Sallûm gibt es ein paar Geschäftsfrauen, die erfahrene Männer für sich arbeiten lassen, und wir sind die Lehrlinge. Unsere Aufgabe ist es, Pässe zu kaufen. Die kosten, wenn wir es geschickt anstellen, zehn oder zwölf, maximal fünfzehn Pfund.«
    Â»Was heisst das: Pässe kaufen?«
    Â»Wer nach Libyen reist, darf sechs Stangen Zigaretten im Duty-free-Shop kaufen. Also treffen wir mit jedem, der nach Libyen will, eine Vereinbarung: Er kauft mit seinem Pass sechs Stangen Zigaretten für uns. Die kosten rund hundertfünfundsiebzig Pfund. Für seine Hilfsbereitschaft kriegt er zehn Pfund, das macht dann hundertfünfundachtzig Pfund. Pro Tag besorgen wir uns auf diese Weise etwa zweihundertPässe und schmuggeln so Zigaretten nach Libyen. Der libysche Zoll in Musaid macht keine Probleme. Autos werden zwar genau durchsucht, aber wer zu Fuss geht, wird durchgelassen. Die Stangen tun wir in Leinensäcke, die wir uns auf die Schultern laden. In Libyen verkaufen wir die Stangen für zweiundvierzig bis fünfundvierzig Dinar 54 . Der Dinar war mal vier Pfund fünfundsiebzig wert, also brachte jeder Pass rund zwanzig Pfund Gewinn ein, das waren rund viertausend Pfund pro Tag. Das ist mein Geschäft, mein Herr, eine ehrbare Tätigkeit.«
    Â»Was ich nicht verstehe: Gibt es diese Zigaretten denn nicht auch in Libyen?«
    Â»Das sind importierte Marken, die es nur im Duty-free-Shop gibt. Die Libyer lieben sie. Sollen wir ihnen das verbieten? Alle profitieren doch von diesem Geschäft!«
    Â»Schmuggeln Sie nur Zigaretten?«
    Â»Nein, manchmal haben wir auch Videokassetten und Rekorder von Libyen nach Ägypten gebracht. Aber der Zoll in Sallûm ist nicht so wie der in Musaid. Die sind gnadenlos: Wenn sie einen Sack sehen, der alleine daherkommt, verhaften sie ihn umgehend. Aber wir haben es immer irgendwie geschafft, schliesslich habe ich jahrelang dort gelebt. Mein Vater war sein Leben lang Taxifahrer und wollte unbedingt, dass ich den Wagen übernehme. Meine Mutter hat zu mir gesagt: ›Dein Vater hat uns immer kurzgehalten und uns ein klägliches Leben beschert. Such dir einenzeitgemässen Job, der dir etwas Geld einbringt, mein Sohn. Siehst du nicht, wie es die andern machen? Fahr weg, geh nach Libyen. Vielleicht gibt dir Gott eine Chance.‹ Und auf dem Weg nach Libyen habe ich diesen Job im Zigarettenschmuggel gefunden. Meine Gebete waren erhört worden, und ich schickte meiner Mutter regelmässig alles, was ich gespart hatte. Gott sei Dank konnte sie sich noch ein paar schöne Tage machen, bevor der Herr sie zu sich rief. Sie war eine wirklich gute Mutter, möge sie in Frieden ruhen.«
    Â»Also haben Sie vor, in Kairo zu bleiben und das Taxi Ihres Vaters zu fahren?«
    Â»Niemals, mein Herr! Ich habe ja gesehen, wie mein Vater sein ganzes Leben verbracht hat. Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie er starb, ohne dass noch Geld für das Leichentuch da gewesen wäre. Und in Zukunft wird es noch schlimmer. Ich werde jede ehrliche Arbeit annehmen, die Geld

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