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Im Taxi - unterwegs in Kairo

Im Taxi - unterwegs in Kairo

Titel: Im Taxi - unterwegs in Kairo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Sie, ich bezahle schliesslich. Wenn Sie mir nicht sagen wollen, wie viel, dann lassen Sie mich aussteigen.«
    Â»Stellen Sie sich vor, ich würde Ihnen sagen, dass es soundso viel kostet, Sie aber hätten mir mehr zahlen wollen. Es geht schliesslich um meinen Lebensunterhalt!«
    Â»Wenn Sie in eine Apotheke gehen und nach dem Preis eines Medikaments fragen, sagt der Apotheker dann ›Sechs Pfund achtzig‹ oder ›Soviel Sie wollen‹? Sie sollten doch wissen, wie viel die Strecke kostet.«
    Â»Sie wissen es also nicht?«
    Â»Doch, ich weiss es.«
    Â»Also, wie viel?«
    Â»Fünfzehn Pfund.«
    Â»Dann geben Sie mir doch zwanzig.«
    Â»Lassen Sie mich raus!«, schrie ich.
    Â»Okay, okay, fünfzehn.« Der Fahrer grinste übers ganze Gesicht. »Sehen Sie, ich wollte zehn sagen, bevor Sie fünfzehn gesagt haben. Hätte ich also auf Sie gehört, hätte ich mich ins eigene Fleisch geschnitten. Ich erzähle Ihnen das nur, damit Sie einsehen, dass ich recht habe. Ein Taxifahrer sollte niemals einen Preis nennen, sondern das in Gottes Hand legen.«
    Â»Und wenn ich fünf gesagt hätte?«
    Â»Nein, ausgeschlossen, mein Herr, bis nach Maâdi für nur fünf Pfund?«
    Der Wagen fuhr und fuhr, jeder Teil schien sich in eine andere Richtung zu bewegen, und alle zusammen spielten sie die schlechteste Symphonie der Menschheitsgeschichte.
    Â»Haben Sie den Film al-Limbi gesehen?«, fragte ich.
    Â»Nein, den habe ich nicht gesehen. Aber alle sagen, der ist toll.«
    Erst jetzt merkte ich, dass er nicht Muhammad Saad imitierte. Vielmehr war es Muhammad Saad, der den Fahrer nachahmte.

42
    Â»Wissen Sie, ich habe einen grossen Traum«, erzählte mir der Fahrer. »Einen Traum, für den ich lebe. Ohne einen Traum kann man nicht existieren, man ist immer schlapp, kommt nicht aus dem Bett, wird depressiv und will sterben. Aber mit einem Traum bleibt man munter und voller Energie, ein loderndes Feuer, das nie ausgeht. In mir wird es immer lodern, und ich werde mich ins Zeug legen und vier Jahre lang Geld sparen.
    Wissen Sie, was mein Traum ist? In vier Jahren mit meinem Taxi bis nach Südafrika zu fahren, um die Fussballweltmeisterschaft zu sehen. Vier Jahre lang werde ich sparen, Piaster um Piaster, und dann den afrikanischen Kontinent entdecken, vom Norden, wo ich jetzt bin, bis zum Süden. Ich werde alle afrikanischen Länder passieren und den Nil entlangfahren, bis zu seiner Quelle, also bis zum Victoriasee. Unterwegs werde ich im Auto schlafen, und im Kofferraum werde ich genug Essen für zwei Monate verstauen, Konserven mit Bohnen und Thunfisch und einen Berg Brot. Ich mag Brot nämlich sehr.
    Ich werde mir alles anschauen, den Dschungel, die Löwen, die Tiger, die Affen, die Elefanten und die Gazellen. Und ich werde Leute kennenlernen, aus dem Sudan und all den andern Ländern weiter südlich. Ich weiss noch nicht genau, durch welche Länder ich kommen werde; ich habe mir im Buchladen einen Atlas gekauft und ihn angeschaut, mich aber nochnicht für eine Route entschieden. Wenn ich in Südafrika ankomme, werde ich zum südlichsten Punkt Afrikas fahren, an den Ozean, und in der Ferne den Südpol sehen.
    Natürlich werde ich mir alle Spiele anschauen. Ich habe mir vorgenommen, mich bei der Fussballkonföderation zu melden, die gleich beim Achli-Klub in Samâlik sitzt, damit die mir ein paar Tickets besorgt. Da wir alle Afrikaner sind, werden die mir dort sicher helfen.
    Wissen Sie, ich fahre ja sowieso schon den ganzen Tag, also etwa fünfzehn Stunden täglich. Ich bin es gewohnt, und es wird für mich kein Problem sein, bis nach Südafrika zu fahren. Das ist mein Traum, und den muss ich mir erfüllen.«
    Ich wollte ihm nicht sagen, dass es keine befestigte Strasse zwischen Abu Simbel, dem südlichsten ägyptischen Ort, und dem Sudan gibt. Und auch nicht, dass die Toschkastrasse in den Sudan geschlossen ist und dass es nicht einmal eine durchgehende Eisenbahnlinie zwischen Ägypten und dem Sudan gibt. Oder dass er, selbst wenn er den Sudan erreichen würde, ohne Sondergenehmigung aus Khartum – die er sowieso nicht bekäme – nicht in den Südsudan fahren dürfte. Oder dass Kairoer Taxis das Land ohnehin nicht verlassen dürfen.
    Ãœberdies vergass ich, ihm zu sagen, dass unser afrikanischer Kontinent zerstückelt und immer noch vollständig kolonialisiert ist und dass

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