Im Tod vereint - Divided in Death (18)
brach noch nicht mal ab, als Mira vorsichtig mit beiden Händen über ihre Stirn und ihre Wangen strich.
»Dann ist er also jetzt allein«, stellte Mira schließlich fest. »Wütend, orientierungslos und wahrscheinlich von jeder Menge Selbstmitleid erfüllt. Eine gefährliche Mischung bei einem Mann mit seiner emotionalen Struktur. Sein Ego hat einen Riesenknacks bekommen. Statt sich zu seinem Erfolg beglückwünschen zu können, muss er sich eingestehen, dass alles völlig schiefgelaufen ist. Auch wenn er seiner Meinung nach ganz sicher keine Schuld an dem Desaster hat. Er hat eine sehr hohe Meinung von sich selbst und gibt deshalb wahrscheinlich jemand anderem die Schuld. Er hat seine Frau, seinen Bruder und seine beiden Geliebten skrupellos geopfert. Das ist der Beweis, dass er zu wirklichen Gefühlen und zu echten Bindungen überhaupt nicht fähig ist.«
»Ist er ein Soziopath?«
»In gewisser Hinsicht, ja. Aber es ist nicht einfach so, dass er kein Gewissen hat. Er meint, dass er über die Verhaltensweisen, die Bedürfnisse, die Bindungen, die Regeln, die normale Menschen prägen, aus irgendeinem Grund erhaben ist. Er ist ein Künstler und Spion. Er hat die mit seiner Tätigkeit verbundene Aufregung geliebt und sich an seiner eigenen Cleverness ergötzt. Er ist verwöhnt, und er will immer mehr von allem, was er hat. Mehr Geld, mehr Frauen, mehr Bewunderung. Das Risiko des Tötens und auch schon die Planung seines Vorgehens, der Gedanke, beide Seiten gegeneinander auszuspielen, um am Ende selber als Gewinner dazustehen, haben ihm wahrscheinlich Spaß gemacht.«
»Sparrow war der Kopf der Gruppe.«
»Ja, er ist das Gehirn, das hinter allem steht, nur hat Bissel das bestimmt nicht so gesehen. Schließlich war es Bissel, der die Jobs erledigt hat und der die ursprünglichen
Pläne seiner Meinung nach dabei noch verbessert hat. Bei der HSO wurde er im Grunde immer nur als Laufbursche gesehen. Jetzt hat er endlich die Gelegenheit, ihnen und uns allen zu beweisen, was alles in ihm steckt.«
»Aber wenn alles nach Plan verlaufen wäre, hätte niemand je erfahren, dass er an dieser Sache aktiv beteiligt war.«
»Er hätte es gewusst. Er hätte uns alle zum Narren gehalten und hätte es gewusst. Früher oder später wäre er der Versuchung erlegen, jemandem alles zu erzählen, damit der ihn bewundern kann. Bisher hat er Kade, seine Kollegen bei der HSO, Sparrow als vermeintliche Bewunderer gehabt. Sie haben gewusst, was in ihm steckt, und nun, da sie nicht mehr da sind, wird er sich andere Leute suchen, vor denen er sich brüsten kann. Sonst hält seine Selbstzufriedenheit nicht lange genug an.«
Sie strich Eve sanft die Haare aus der Stirn und behandelte die Schürfwunde an ihrer linken Schläfe. »Sparrow hat anscheinend einfach nicht bedacht, wie sehr Bissel es genießen würde, im Rampenlicht zu stehen, die Morde eigenhändig zu verüben und ganz einfach wichtig für das Gelingen seines Plans zu sein.«
»Und nun, da alles schiefgelaufen ist?«
»Wird Bissel umso mehr beweisen müssen, was für ein toller Kerl er ist. Vielleicht hält er sich erst einmal bedeckt, aber früher oder später taucht er sicher wieder auf. Bisher hat seine Kunst den Teil von ihm befriedigt, der öffentliches Lob, Bewunderung und Anerkennung braucht. Diese Möglichkeit ist ihm genommen, weshalb er eine neue Bühne braucht.«
»Wenn ich an die Medien weitergeben würde, dass er noch am Leben ist, dass er … der Star des Ganzen ist, müsste er wieder auftauchen, nicht wahr? Wie sollte er sonst die Bewunderung einheimsen, die ihm seiner Meinung nach gebührt?«
»Wahrscheinlich ja. Aber bei seiner stetig zunehmenden Neigung zur Gewalt wäre er unglaublich gefährlich. Sein Vorgehen bei den Morden ist eindeutig eskaliert. Auch wenn die ersten beiden Morde die brutalsten waren, ging es dabei auch um eine persönliche Geschichte, und vor allem hatte jemand anderes die Taten geplant. Der Mord an McCoy war grausamer und kälter, er hat ihn ganz allein geplant und ausgeführt. Aber zumindest hat er sie gekannt, wohingegen Powell ein völlig Fremder für ihn war. Und auch wenn sein letzter Anschlag eindeutig dem Mann gegolten hat, dem er die Schuld an dem Fiasko gibt, hat er billigend in Kauf genommen, dass dabei auch eine Reihe völlig unbeteiligter Passanten zu Schaden gekommen sind. Andere Menschen bedeuten ihm nicht das Geringste. Er interessiert sich ausschließlich für sich selbst.«
Mira klappte ihre Tasche wieder zu. »Ich
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