Im Tod vereint - Divided in Death (18)
Schimmel von dem Käse schnitt. Vielleicht würde er es dieses Mal nicht merken. Vielleicht hätte sie dieses Mal ja Glück. Ihr war so furchtbar kalt. Sie hatte einen so fürchterlichen Hunger. Vielleicht merkte er ja nichts.
Daran klammerte sie sich, als er den Raum betrat. Richie Troy. Irgendwo in ihrem Hirn hallte sein Name wider. Inzwischen kannte sie den Mann, kannte seinen Namen. Was ihm einen Teil der Macht über sie nahm.
Sie hatte einen Augenblick der Hoffnung. Vielleicht war er betrunken, vielleicht war er so betrunken, dass er sie in Ruhe ließ. So betrunken, dass es ihm egal war, dass sie nicht gehorcht hatte und einfach an den Käse gegangen war.
Aber er kam auf sie zu, und sie sah an seinen Augen, dass er nicht genug getrunken hatte. Nicht genug, um sie zu retten.
Was tust du, kleines Mädchen?
Sie wurde schreckensstarr.
Bereits beim ersten Schlag erschlaffte sie. Ein Hund, der oft genug getreten wurde, wusste, dass er am Boden bleiben musste und sich besser unterwarf.
Aber er musste sie bestrafen. Musste ihr eine Lektion erteilen. Trotz der Angst und trotz des Wissens, dass es ihr nicht helfen würde, flehte sie ihn an.
Bitte bitte bitte nicht.
Natürlich würde er sie schlagen. Wie er sie immer schlug. Würde ihr entsetzlich wehtun, während sie schluchzend darum bettelte, dass er sie in Ruhe ließ.
Das Geräusch des Arms, den er ihr brach, war genauso spitz und dünn wie ihr schockierter Schrei.
Mit einem Mal hielt sie das Messer, das sie fallen gelassen hatte, wieder in der Hand. Sie musste dafür sorgen, dass er aufhörte. Sie hielt es nicht mehr aus. Den Schmerz, den grauenhaften Schmerz in ihrem Arm und zwischen ihren Beinen. Sie hielt es nicht mehr aus.
Sie roch das warme, nasse Blut, das über ihre Finger
lief. Als sein Körper über ihrem Körper zuckte, stieß sie immer wieder zu. Immer, immer wieder, während er versuchte, ihr auf allen vieren zu entkommen. Immer, immer, immer wieder, während ihr das Blut auf die Arme, ins Gesicht und auf die Kleider spritzte und eine Reihe unmenschlicher Laute aus ihrer Kehle stieg.
Schließlich kroch sie selbst in eine Ecke und kauerte sich zitternd und keuchend zusammen, während er in seinem eigenen Blut ertrank.
So war es jedes Mal.
Nur, dass sie heute nicht mit ihm alleine war. Sie war nicht alleine mit dem Toten in dem fürchterlichen Raum. Auf unzähligen Stuhlreihen ihr direkt gegenüber saßen gesichtslose Gestalten in dunklen Anzügen. Wie ein Theaterpublikum.
Sie sahen, wie sie weinte. Sahen, wie sie blutete und wie ihr gebrochener Arm schlaff an ihrer Seite hing.
Sie sahen sie und schwiegen. Sahen sie und taten nichts. Nicht einmal, als Richie Troy sich, wie ab und zu in ihren Träumen, noch einmal erhob. Nicht mal, als er sich erhob und aus all den Wunden blutend in ihre Richtung schlurfte, standen sie ihr bei.
Schweißgebadet fuhr sie aus dem Schlaf.
Sie tastete nach Roarke, doch er war nicht da. War nicht da, um sie an seine Brust zu ziehen und den grauenhaften Schmerz einfach dadurch zu lindern, dass er sie tröstend in den Armen hielt.
Sie rollte sich zu einem Ball zusammen und kämpfte gegen die Tränen an, während Galahad mit seinem Kopf an ihre Schulter stieß.
»Schon gut, schon gut, schon gut.« Sie vergrub ihr schweißnasses Gesicht in seinem dichten Fell und wiegte
sich langsam hin und her. »Gott. Oh Gott. Licht an, fünfundzwanzig Prozent.«
Das gedämpfte Licht im Zimmer half, allmählich nahm das Brennen ihrer Lungen etwas ab.
Immer noch ein wenig zittrig stieg sie aus dem Bett, schleppte sich unter die Dusche und drehte das heiße Wasser auf.
21
Von den anderen war noch niemand aufgestanden, und dafür war sie wirklich dankbar. Da sie sowieso noch nicht in der Verfassung für eine Teambesprechung war, hatte sie sich in ihrem Arbeitszimmer eingesperrt und ging den Fall noch einmal in Gedanken durch.
Tapfer widerstand sie dem Verlangen, auf dem hausinternen Überwachungssystem zu gucken, wo Roarke war. Schließlich zählte mehr, wo er nicht gewesen war, und zwar in ihrem Bett. Falls er geschlafen hatte, und es gab Zeiten, in denen sie den Eindruck hatte, dass er weniger Schlaf als ein verdammter Vampir benötigte, hatte er es nicht bei ihr getan.
Sie würde nicht darüber sprechen, würde sein Fehlen nicht erwähnen, denn diese Genugtuung gönnte sie ihm nicht. Sie würden die Ermittlungen zum Abschluss bringen, und wenn Bissel endlich hinter Schloss und Riegel säße, würden sie …
… ja,
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