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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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aus den Augen. Ich kann nicht einmal mehr laufen gehen.«
    »Aber das ist gut, Al. Gott sei Dank nehmen sie die Sache ernst.«
    »So kann man es wahrscheinlich auch sehen.«
    »Warum isst du heute Abend nicht mit uns? Lars macht irgendein schwedisches Gericht mit Makrelen und Kartoffeln.«
    »Himmel, das muss wahre Liebe sein. Aber nein danke, ich gehe aus.«
    »Du scheinst dich aber nicht wirklich darauf zu freuen.«
    »Sie wollen mich verkuppeln, deshalb sehe ich vielleicht nicht unbedingt begeistert aus. Sie haben irgendeinen komischen Kauz als Tischnachbarn für mich dazubestellt.«
    »Vielleicht einen zweiundsechzigjährigen Anwalt mit einer Vorliebe für schrägen Sex?«
    »Oder einen Briefmarken sammelnden Bibliothekar mit schlechter Haut.«
    Lola rollte mit den Augen. »Du bist einfach eine unverbesserliche Optimistin, Al.«
    Ich ging duschen und beschloss, mir trotzdem etwas Mühe mit meinem Äußeren zu geben. Deshalb schlüpfte ich in ein graues Seidenkleid, das ein bisschen zu tief ausgeschnitten war, und legte dazu meine dicke Lieblingssilberkette an. Zumindest bekäme, wer auch immer von der guten Tejo für mich eingeladen worden war, etwas für sein Geld zu sehen. Ich ging sogar so weit, mein Haar zu fönen, statt es einfach durchzukämmen und an der Luft trocknen zu lassen, zauberte mir Smokey Eyes und trug ein dunkles Pink auf meine Lippen auf.
    »Du siehst super aus.« Lola kam in den Flur und hielt mir meinen Mantel hin. »Los, Mädel. Kipp dir einen hinter die Binde, und genieß mal wieder einen anständigen Flirt.«
    »Sie sind Sikhs, Lo. Deshalb gibt’s bei ihnen keinen Alkohol.«
    Lola starrte mich entgeistert an und versuchte vergeblich, sich vorzustellen, wie jemand stocknüchtern ein Blind Date ertrug.
    Das Taxi wartete mit laufendem Motor, als ich auf die Straße kam, doch Alvarez oder der Streifenwagen, dessen Besatzung mich schon seit Tagen nicht mehr aus den Augen ließ, waren nirgendwo zu sehen. Vielleicht hatten sie mich ja vergessen und beschlossen, ihren Freitagabend zu genießen und ins Kino oder so zu gehen. Der Wagen fuhr in Richtung Süden die Southwark Bridge Road hinab, in der man für jeden Pub, der noch geöffnet war, drei mit vernagelten Fenstern sah. Die Raucher von Südlondon hatten offenbar beschlossen, sich in Zukunft gemütlich in ihren eigenen vier Wänden zu betrinken, statt mit ihren Kippen auf der Straße rumzustehen. Es war eine Erleichterung, die Häuser an mir vorbeifliegen zu sehen. Ohne meine Gouvernanten, die mich auf Schritt und Tritt verfolgten, war mein Leben fast wieder normal. Vielleicht hatte ja mein Brieffreund angefangen, sich bei dem Projekt zu langweilen, und sich jemand anderem zugewandt. Auf dem Weg durch Camberwell ließ sich der Taxifahrer endlos über die Lage der Nation und andere Themen aus. Er hatte zu allem eine feste Meinung, seien es die Immobilienpreise, die Gangs, die allmählich die Herrschaft über London übernahmen, oder seine Leidenschaft für Leonard Cohen.
    Erst als wir die Deepdene Road erreichten, ebbte der Konversations-Tsunami ab. Hari und Tejo hatten ihre viktorianische Doppelhaushälfte aus rotem Backstein jahrelang mit viel Liebe renoviert, und jetzt sah sie bis hin zu den perfekt gestutzten Buchsbäumen, die wie zwei Wachposten unter dem Vordach standen, strahlend schön und teuer aus. Ich betätigte den Messingklopfer und wartete darauf, dass jemand an die Haustür kam.
    »Hallo, Fremde«, nahm mich Tejo strahlend in Empfang. In ihrem blassblauen Shalwar Kamiz mit den zarten Silberstickereien verströmte sie die gewohnte mühelose Eleganz.
    »Mein Gott, du bist schwanger!«, rief ich aus.
    »Du gemeiner Kerl.« Sie drohte Hari mit dem Zeigefinger. »Ich dachte, du hättest es ihr längst erzählt.«
    »Und ich dachte, du hättest es gesagt«, gab er entschuldigend zurück und nahm mich mit zwei Wangenküssen in Empfang.
    »In vitro«, raunte mir Tejo zu und führte mich durch den Flur.
    »Das ist einfach phantastisch! Gratuliere.«
    »Ich bin erst im vierten Monat« – sie zog eine Grimasse – »und fühle mich jetzt schon wie ein Omnibus.«
    Die Küchentür schwang auf, und ich atmete tief durch. Außer mir waren schon beinahe alle Gäste da und tauschten lächelnd Nettigkeiten aus. Ein paar von ihnen kannte ich bereits: Haris Schwester, ihren Mann und eine Reihe bekannter Gesichter aus dem Krankenhaus, und nachdem ich Platz genommen hatte, gab es an dem großen Holztisch nur noch einen freien Stuhl gleich neben

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