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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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ihn sonst vielleicht einfach stehen. Lola lauschte immer noch den Ausführungen des Zwergs, doch zum Glück war ihm nicht aufgefallen, dass sie zwischenzeitlich regelrecht verzweifelt war. Auf dem Weg zurück zur Tür warf ich ihr eine Kusshand zu.
    Die zweistündige Tanzerei hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Ich war total entspannt und spürte zwischen meinen Schulterblättern noch den warmen Schweiß. Statt mich bei der Warterei auf ein Taxi oder einen Nachtbus zu erkälten, lief ich die Stamford Street hinunter, doch bereits nach einem halben Kilometer brachten meine Schuhe mich fast um. An der South Bank war noch jede Menge los, denn auch im Erdgeschoss des Oxo Towers fand anscheinend eine Party statt. Ich schleppte mich müde weiter, aber bis zum Rathaus spürte ich die Wirkung des Alkohols nicht mehr, jeder Schritt bereitete mir Höllenqualen, und ich fragte mich, ob Frauen, die nur hochhackige Schuhe trugen, vielleicht masochistisch veranlagt waren. Aber vielleicht hatten sie auch einfach eine Technik entwickelt, mit der sie weite Wege gehen konnten, ohne dass es zu gravierenden Verletzungen der unteren Extremitäten kam.
    Die Straßen wurden immer leerer. In Höhe der Tower Bridge wartete noch eine Handvoll Touristen auf ein Taxi, doch danach sah ich niemanden mehr. Der Uferweg der China Wharf war menschenleer. Ich ging über die Holzbrücke zwischen den dunklen, acht- bis zehnstöckigen Lagerhallen, und aus irgendeinem Grund wurde ich mit einem Mal nervös.
    Ich konnte Schritte hören, aber es war nirgendwo jemand zu sehen. Wahrscheinlich rührte meine Paranoia vom Genuss des Alkohols. Als die trommelnden Schritte näher kamen, hätte ich am liebsten laut geschrien. Aber vielleicht hörte ich ja auch nur meinen Herzschlag oder das Echo meiner lächerlichen Absätze auf dem Asphalt. Als ich den Providence Square erreichte, atmete ich erleichtert auf. Von Wills Bus oder von einem Streifenwagen war nirgendwo was zu sehen.
    »Sie waren heute aber lange aus«, ertönte eine Stimme direkt hinter mir.
    »Mein Gott.« Mein Herzschlag setzte aus. »Was machen Sie denn hier?«
    DS Alvarez trat aus der Gasse zwischen meinem und dem Nachbarhaus. »Ich habe das kurze Streichholz gezogen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich bin mit Ihrer Bewachung dran.«
    Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Wie gewöhnlich war der Mann, dessen schwarzer Mantel offenbar sein Markenzeichen war, mir viel zu nah, und ich starrte direkt auf seinen Mund.
    »Wo haben Sie sich rumgetrieben?«
    »Ich war auf einer Party«, schnauzte ich. »Nicht dass Sie das was anginge.«
    »Reagieren Sie immer so, wenn Sie überfallen worden sind?« Er schüttelte missbilligend den Kopf. »Werfen sich in Schale und ziehen um den Block?«
    »Besser, als zu Hause herumzusitzen und mir leidzutun.«
    »Berührt Sie diese Sache überhaupt?«
    »Was meinen Sie?«
    »Oder tischen Sie all diesen emotionalen Kram nur Ihren Patienten auf?«
    »Sie wissen nicht das Geringste über mich«, fuhr ich ihn an. »Sie haben kein Recht, mich zu verurteilen.«
    Ich wandte mich zum Gehen, aber er packte mein Handgelenk und neigte seinen Kopf, um mich zu küssen. Mir ging der Gedanke durch den Kopf, es einfach zuzulassen, aber gerade noch zur rechten Zeit drehte ich mich weg. Sein warmer Atem traf auf meine Wange und rief ein seltsames Kribbeln in mir wach.
    »Tut mir leid«, murmelte er. »Das war völlig unangemessen.«
    »Allerdings.« Er war mir immer noch zu nah. Von dem Versuch, ihn wegzuschieben, ruhte meine Hand immer noch auf seiner Schulter, und er sah mich forschend an. Er sah aus, als überlegte er, ob er noch mal sein Glück versuchen sollte, und ich wisperte erstickt: »Ich könnte die Sache melden.«
    »Und bei wem?« Immer noch sah er mich durchdringend an. »Burns würde ganz bestimmt nichts unternehmen.«
    »Und was ist mit Ihrer Frau?«
    Er riss schockiert die Augen auf. »Ich kann es Ihnen erklären.«
    »Dass Sie die Absicht haben, sich von ihr zu trennen?«, fragte ich verächtlich und marschierte los.
    Dieses Mal ließ er mich gehen, und mit wackeligen Beinen erklomm ich die Treppe in den zweiten Stock. Nach der Uhr in meiner Küche war es schon fast zwei, aber trotzdem hätte es mir nichts gebracht, sofort ins Bett zu gehen. Denn dort hätte ich mich endlos hin- und hergewälzt, und meine Gedanken wären wirr in meinem Kopf herumgeschwirrt.

7
    Es dauerte wirklich ewig, bis ich endlich schlief. Denn ich war wütend auf Alvarez, weil er versucht hatte, mich

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