Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater
sie sagen«, murmle ich.
»Was?«
»Im Fernsehen übertreiben die doch immer alles, oder nicht? Die behaupten, dass die Zahl der Gewaltverbrechen
sprunghaft angestiegen ist, aber das bedeutet nicht, dass die tatsächliche Zahl angestiegen ist, oder?«
»Nicht unbedingt«, gibt sie zu, hört sich aber unsicher an.
»vielleicht sind es nicht mehr Schlägereien als letzte Woche, aber letzte Woche waren sie noch keine Schlagzeilen wert. Und wenn so etwas Schlagzeilen macht, springen vermutlich eine Menge Leute auf den fahrenden Zug auf.«
»Was willst du damit sagen?«
»vielleicht haben die Zeitungen und Fernsehsender diese ganze Situation erst herbeigeführt«, sage ich. Das ist jetzt alles einfach ins Blaue hinein gemutmaßt.
»Das kann nicht sein. Da draußen geht definitiv etwas vor sich. Das wären zu viele Zufälle für …«
»okay«, unterbreche ich sie, »aber wenn sie das Problem nicht geschaffen haben, verschlimmern sie es auf jeden Fall.«
»Was ist mit dem Zwischenfall beim Konzert am Freitag? Und im Pub? Was gestern Abend mit diesem Auto passiert ist und heute Morgen in der Schule … Willst du etwa behaupten, das alles wäre so oder so geschehen? Meinst du, wir interpretieren nur wegen der Berichterstattung im Fernsehen mehr hinein, als dran ist?«
»Ich weiß es nicht. Das kann man unmöglich sagen. Ich meine ja nur, dass wir schon öfter miterlebt haben, wie eine Situation außer Kontrolle gerät.«
»Ach ja?«
»Na klar doch. Das passiert andauernd. Jemand sendet irgendwo einen Bericht, und dann ahmt der hirnlose Teil des Publikums es einfach nach, nur um selbst ins Fernsehen oder die Schlagzeilen zu kommen.«
Ich glaube, jetzt überzeuge ich sie nicht mehr. Ihrem Gesichtsausdruck entnehme ich, dass sie nicht versteht. oder sie glaubt mir nicht. Aber ich bin ja selbst nicht sicher.
»Kapier ich nicht.«
»Erinnerst du dich an die Kampfhunde?«, frage ich. Sie schüttelt den Kopf und verzieht das Gesicht. »vor ein paar Jahren wurde hier um die Ecke ein Kind vom Rottweiler eines Nachbarn angefallen, weißt du nicht mehr? Das Gesicht des Mädchens wurde übel zugerichtet und brauchte eine Schönheitsoperation, glaube ich. Der Hund wurde eingeschläfert.«
»Und? Was hat das mit den aktuellen Ereignissen zu tun?«
»Es ist doch so, bis diese Geschichte für Schlagzeilen sorgte, hat kaum jemand je davon gehört, dass Hunde Kinder angegriffen hätten, oder? Aber kaum kam es in den Nachrichten, wurden schlagartig von überall ähnliche vorfälle gemeldet. Es kam zu einer regelrechten Epidemie von Hunden, die Kinder angriffen. Und jetzt hört man wieder nur alle Jubeljahre mal davon.«
»Worauf willst du hinaus? Soll das heißen, dass diese Kinder gar nicht angegriffen wurden?«
»Nein, natürlich nicht. Ich will damit sagen, denke ich, dass so etwas ständig passiert, aber keiner sich dafür interessiert. Aber sobald etwas darüber in den Nachrichten kommt, melden es die Leute, und ehe man sich’s versieht, gibt es scheinbar an jeder Straßenecke Hunde, die Kinder beißen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich mit dir einer Meinung bin«, sagt sie leise. »Ich weiß nicht mal genau, wovon du da redest. Es hat noch nie etwas in dieser Größenordnung gegeben …«
»Ich glaube, dass diese Idioten da«, wobei ich auf den Fernseher zeige, »mehr schaden als nützen. Wenn sie diesen Leuten einen Namen und Sendezeit geben, dann verherrlichen sie, was passiert, und übertreiben es maßlos. Die Leute sehen Gewalt, Aufruhr und Rebellion im Fernsehen und denken, da will ich auch mitmachen.«
»Blödsinn. Du hörst dich schon an wie Dad.«
»Das ist kein Blödsinn. Erinnerst du dich an die Unruhen letzten Sommer?«, frage ich, weil mir zum Glück gerade rechtzeitig ein neues Argument einfällt, um meine baufällige Argumentation zu stützen. Vor rund acht Monaten kam es zu einer Reihe von rassistisch motivierten Gewalttaten in einigen Großstädten, einschließlich unserer. Lizzie nickt.
»Was ist damit?«
»Genau das Gleiche. Irgendjemand hat irgendwo in einer Nebenstraße eine Schlägerei angefangen. Die Medien bekamen Wind davon und bauschten das Problem hundertmal schlimmer auf, als es war. Nur durch deren Berichterstattung haben sich diese Unruhen ausgebreitet, und jetzt ist es wieder so. Es gibt irgendwo ein echtes Problem, über das berichtet wird, und im Handumdrehen rottet sich in jeder Stadt ein Mob zusammen und nutzt den ursprünglichen Fall als billige Ausrede, um Stunk zu
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