Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater
sich langsam um. Ist er …?
Großer Gott. Ich sehe dem alten Knaben tief in die Augen und erstarre vor Furcht. Kann das derselbe Mann sein? Er betrachtet mich mit kalten, stählernen Augen, in denen unerklärlicher Hass und Abscheu lodern. Ich nehme die Geringschätzung, die er für mich empfindet, wie einen Gestank wahr und weiß aus einem unerfindlichen, aber unbestreitbaren Grund, dass er mich tot sehen will. Er will mich vernichten. Meine Beine tragen mich kaum
noch, als mir klar wird, dass der Hass schließlich doch den Weg in meine Wohnung gefunden hat.
Plötzlich bewegt sich Harry, und ich reagiere blitzschnell. Er macht nur einen Schritt auf mich zu, doch das genügt; ich weiß, mein Leben ist in Gefahr, wenn ich nicht augenblicklich handle. Ein übermächtiger Selbsterhaltungstrieb kommt über mich, als ich mich von ihm entferne. Ich sehe nach rechts. Auf der Arbeitsfläche steht ein Messerklotz aus Holz. Ich packe das Brotmesser mit dem schwarzen Griff und reiße es aus dem Block, als würde ich ein Schwert aus der Scheide ziehen. Mit einer flie- ßenden Bewegung laufe ich zu Harry und bohre ihm das Messer dicht über der Taille tief ins Fleisch. Ich lege den anderen Arm um ihn, ziehe ihn zu mir her und treibe die Klinge so noch tiefer in seine Eingeweide, während ich sie gleichzeitig herumdrehe. Ich spüre, wie die gezackte Klinge durch Haut, Muskeln, Venen und Arterien schneidet, und stoße noch fester zu, bis die gesamte Klinge verschwunden ist. Ich spüre einen Schwall heißes Blut, das mir über die Hand spritzt, lasse das Messer los und stoße Harry von mir. Er taumelt rückwärts. Seine Beine tragen ihn nicht mehr, er bricht zusammen und schlägt im Sturz mit dem Hinterkopf gegen die Herdtür. Ich stehe über ihm. Er atmet noch, aber bestimmt nicht mehr lange. Ich muss mich unbedingt vergewissern, dass er tot ist.
von der Tür ertönt ein Schrei – ein schriller, ohrenbetäubender Aufschrei -, und ich drehe mich um und sehe Lizzie und die Kinder. Sie starrt mich mit den gleichen kalten Augen an wie ihr Vater; ich spüre den Hass erneut. Ich ziehe dem sterbenden Mann das Messer aus den Eingeweiden und gehe zu ihr, weil ich weiß, dass sie auch sterben muss. Sie weicht zurück und zerrt die Kinder mit
sich aus der Küche. Edward und Josh sehen mich wütend an und sind vom selben Hass erfüllt wie ihre Mutter.
»Daddy!«, kreischt Ellis. Ich blicke meiner kleinen Tochter eindringlich ins Gesicht und erkenne sofort, dass sie nicht wie die anderen ist. Sie ist wie ich. Sie hat sich nicht verwandelt. Ich laufe um den Küchentisch herum und strecke die Hand nach ihr aus, komme aber zu spät. Ihre Mutter hat sie schon am Kragen gepackt und au ßer Reichweite gezogen. Dem kleinen, mit Tränen überströmten Gesicht sieht man Schock und Angst deutlich an, als Liz an ihrer Kleidung zerrt und sie von mir wegzieht. Ed sieht mich böse an. Selbst Josh verachtet mich. Meine Söhne hassen mich, und da weiß ich, dass ich sie ebenfalls vernichten muss.
Ich stürze mich wieder auf Lizzie, weil ich weiß, dass ich sie töten muss, bevor sie mir oder Ellis ein Leid zufügen kann. Sie brüllt die Kinder an, dass sie sich bewegen sollen, und die laufen den Flur entlang zum Wohnzimmer. Edward zieht Joshs Kinderwagen über den Flur; ich stolpere darüber und lande auf Händen und Knien. Bevor ich wieder aufstehen und zum Wohnzimmer laufen kann, schlagen sie die Tür zu. Ich höre, wie der Riegel vorgelegt wird.
Was zum Teufel soll ich jetzt machen? Wie konnte das passieren? Wie konnte sich meine Familie so schnell gegen mich wenden? Ich muss sie vergessen und zu Ellis. Sie hat sich nicht verwandelt; ich weiß, dass sie mich braucht. Ich richte mich auf und werfe mich gegen die Tür. obwohl ich sie mit der Schulter ramme, gibt sie nicht nach. Ich nehme Anlauf und werfe mich immer wieder dagegen, und beim fünften Mal höre ich, wie der Riegel bricht. Ich will die Tür aufschieben, aber sie lässt sich
nur wenige Zentimeter bewegen. Sie haben Möbel dagegengerückt, damit ich nicht hineinkann. Warum tun sie mir das an?
Ich hämmere mit den Fäusten gegen die Tür.
»Ellis!«, rufe ich. »Ellis!«
Ich kann sie hören. Sie ist da drin gefangen. Ich höre sie nach mir rufen. Sie ist wie ich, nicht wie die, und sie sollte bei mir sein. Da drin ist sie nicht sicher. Ich bin verzweifelt. Ich kann sie nicht im Stich lassen. Ich werfe mich erneut gegen die Tür; die Wucht des Aufpralls geht mir durch Mark und
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