Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater
und dann haben andere Polizisten die Waffen auf ihn gerichtet und ihn erschossen. Die obrigkeit sitzt genauso in der Scheiße wie wir alle.«
»Aber wenn die Leute einfach aufhören würden …«
»Um Gottes willen, seid still!«, schreit Liz erneut. Sie nimmt die Hand aus meiner und stürmt aus dem Zimmer. Ich sehe, wie sie den Flur entlangläuft, und verspüre fast augenblicklich Paranoia. Harry schweigt jetzt – ist es Liz, die sich verwandelt? Will sie zu den Kinderzimmern? Tut sie ihnen etwas an? Ich stehe auf und laufe ihr nach. Zu meiner Erleichterung hat sie sich im Bad eingeschlossen; ich komme mir dumm vor, dass ich etwas anderes denken konnte. Langsam gehe ich ins Wohnzimmer zurück, wo sich Harry offenbar allmählich wieder beruhigt.
»Geht es ihr gut?«, brummt er.
Ich nicke, kann aber nicht mit ihm reden. Er wendet mir wieder den Rücken zu und beobachtet erneut den Rauch, der von dem brennenden Gebäude am Colville Way aufsteigt.
Freitag
27
Ich weiß nicht mehr genau, um wie viel Uhr ich schlafen gegangen bin. Ich liege Stunden im Bett und versuche (vergeblich) einen Sinn in den Vorkommnissen zu erkennen. In dieser Nacht muss ich hundertmal oder öfter auf den Wecker gesehen haben. Ich sehe jede Stunde verstreichen …
»Dad.«
Ich schlafe immer noch halb, aber Ed weckt mich auf. Hastig fahre ich hoch. Was ist los? Was ist passiert? Ich reibe mir die Augen und versuche, mich auf das Gesicht meines Sohnes zu konzentrieren. Es ist dunkel in dem Zimmer, aber mit ihm ist offenbar alles in ordnung. Ein Blick nach unten zeigt mir, dass Lizzie noch neben mir im Bett schläft. Auch mit ihr scheint nichts zu sein.
»Dad«, wiederholt er erbost, weil ich nicht geantwortet habe.
»Was ist los?«, murmle ich. »Mit den anderen alles klar?«
Er nickt. Was er mir erzählen will, hat offenbar nichts mit Ellis oder Josh zu tun.
»Der Fernseher ist kaputt«, brummt er.
Ich sinke erleichtert auf mein Kissen zurück. Ist das alles? Gott sei Dank.
»Was ist denn damit los?«, frage ich sehr bemüht, interessiert zu klingen.
»Ich krieg kein Bild.«
»Ist der Stecker drin?«
»Ja«, stöhnt er. »Ich bin ja nicht blöd.«
Ich bin zu müde und schimpfe ihn nicht wegen seiner Unhöflichkeit.
»Hast du die Kabel an der Rückseite überprüft?«
»Die hab ich nicht angerührt. Gestern hat er noch funktioniert, nicht?«
»Was ist mit dem Fernseher in deinem Zimmer?«
»Da krieg ich den Sender nicht, den ich will. Komm schon, Dad, steh auf.«
»Ich komm gleich nachsehen«, sage ich gähnend. »Lass mich noch ein wenig schlafen …«
»Aber meine Sendung fängt an«, jammert er. »Bitte, Dad.«
Ich schließe ein paar Sekunden die Augen, aber mir ist klar, dass ich keine Ruhe mehr finde, bis der Fernseher repariert ist. Ich fluche verhalten, wanke über den kalten Schlafzimmerboden, den Flur entlang und weiche Harry aus, dem ich an der Küchentür begegne. Ed folgt mir und drängt sich an der Wohnzimmertür an mir vorbei. Er nimmt die Fernbedienung und schaltet den Fernseher ein.
»Siehst du …«, sagt er und zappt durch die Kanäle.
Ich setze mich und starre den Bildschirm an.
»Was ist los?«, fragt Harry, der sich müde hinter uns in das Zimmer schleppt.
»Die Glotze ist kaputt«, lässt Ed ihn wissen.
»Sie ist nicht kaputt«, erkläre ich ihm beim Umschalten.
»Hast du die Antenne überprüft?«, schlägt Harry vor.
»Damit ist alles in ordnung«, erwidere ich. »Sieh mal.«
Harry tritt näher und starrt auf den Fernseher. Alle Sender
zeigen dasselbe. Einen schwarzen Bildschirm mit wei ßem Text.
BLEIBEN SIE RUHIG
VERMEIDEN SIE PANIK
SUCHEN SIE SCHUTZ
WARTEN SIE AUF WEITERE ANWEISUNGEN
DIE SITUATION IST UNTER KONTROLLE
28
Es ist elf Uhr, und Lizzie, Harry und die Kinder sitzen im Wohnzimmer. Draußen tut sich etwas. Die anderen haben es noch nicht bemerkt. Ich will nicht, dass Liz und die Kinder sich wieder aufregen, darum habe ich keinem etwas gesagt. Es hat vor einer halben Stunde angefangen. In der Ferne höre ich schwere Fahrzeuge und vereinzelte Schreie. Und ich habe Schüsse gehört.
Ich sehe zu jedem Fenster in der Wohnung raus, kann jedoch nicht erkennen, was da draußen los ist. Ich muss es aber wissen. Als ich mich vergewissert habe, dass die anderen alle beschäftigt sind, schleiche ich mich aus der Wohnung. Auf halbem Weg durch das Treppenhaus bleibe ich stehen. Alles sieht genauso aus wie bei meinem gestrigen Ausflug, aber heute kommt mir das Gebäude verändert vor,
Weitere Kostenlose Bücher