Im Wald der gehenkten Füchse
nun mal so günstig beschaffen.«
Der Major hobelte voller Eifer an dem Balken herum.
»Hinter diesem Wandbalken sitzt dann zum Beispiel vielleicht ein Amerikaner, ein Deutscher, Norweger oder Italiener ... oder aber ein Russe, Kirgise, Tunguse. Möglichkeiten gibt es viele. Deserteure oder Kriegsgefangene kommen ebenfalls in Frage. Hinter dem Stall werden Kriegsverbrecher hingerichtet. Das Standgericht sitzt im Kopfende der Hütte und verhängt Todesurteile. Es kann auch sein, dass hier Marodeure oder womöglich Selbstverstümmeler und Verrückte untergebracht werden. Wenn die Kämpfe lange andauern und heftig und blutig sind, nimmt die Zahl der Verrückten zu. Bei schweren Kämpfen kann es in einer Truppe von der Größe eines Bataillons so viele Geisteskranke geben, dass sie einen ganzen Zug ausmachen. Es wären sogar noch mehr, aber die Allerverrücktesten fallen normalerweise.«
Der Major zeichnete mit dem Zimmermannsbleistift eifrig Kartenskizzen auf den hellen Balken.
»Die Russen kommen von Osten anmarschiert, vermutlich aus Richtung Murmansk, Petsamo und Salla, dann weiter in dieser Pfeilrichtung: durch die Repokaira auf der neuen Kekkonen-Straße nach Pokka, von da nach Pulju und schließlich hierher. Und dann erst die Amerikaner! Sie dringen von Westen her über das Köligebirge ein, anschließend geht es entlang der Narviker Bahnstrecke und durch Schweden, über Skibotten an den ›Arm‹ und dann hierher. Die Finnen kommen von Sodankylä über Jeesio und Kittilä herauf. Dies ist meine Idee, im Manöver haben wir es ausprobiert, und es lief gut. Du erinnerst dich doch an die Übung? Ja, du hast dich auf dem Geröllfeld mit den Granatwerferjungs geprügelt. Eine ordentliche Leistung, das muss ich neidlos anerkennen.«
Als die Zelle nach ein paar Tagen fertig war, konnten die Männer konstatieren, dass sie zweckdienlich und stabil war. Der Major gab ihr noch den letzten Schliff, indem er Bretter vor die Dungluke nagelte, aber Oiva Juntunen fand, das reiche nicht aus.
»Da muss ein Gitter rein. Wenn du einkaufen fährst, dann bring dicke Stahlstäbe und starke Haspen mit.«
Der Major sah angewidert auf die Öffnung.
»Du denkst doch wohl nicht, dass ich durch diese Scheißluke nach draußen krieche«, sagte er empört.
Aber Oiva Juntunen gab nicht nach.
»Goldgier lässt einen Mann durch noch hässlichere Löcher kriechen. Ich verlange unbedingt ein Gitter. Maschendraht hält dir nicht stand. Und an die Außentür kommen schwere Scharniere und ein verdammt großes Vorhängeschloss. Und keine Ersatzschlüssel, dass du’s gleich weißt!«
Der Major starrte seinen Kameraden wütend an, verkniff sich aber eine Diskussion in dieser Sache. Er schrieb Schloss und Gitter auf die Liste des Baumaterials in seinem Notizbuch. Am nächsten Morgen gab Oiva Juntunen ihm ein Bündel Geldscheine und schärfte ihm ein, er solle beim Einkauf nicht sparen.
»Kauf immer nur das Beste. Waldkantige Paneele akzeptiere ich nicht.«
Sowie Oiva Juntunen allein war, pfiff er nach dem Fünfhunderter. Als der junge Fuchs auf die Lichtung kam, warf Oiva ihm den Gummiknochen hin, den Remes mitgebracht hatte. Ein Weilchen schnupperte der Fuchs misstrauisch daran herum, bis er ihn für interessant befand und danach schnappte. Mit dem Gummiknochen zwischen den Zähnen sauste der Fünfhunderter triumphierend in den Wald. Sein langer Schwanz wehte prächtig im Herbstwind.
15
In Kittilä schickte Major Remes ein Telegramm an Stikkan in Stockholm. Er diktierte im Telegraphenamt Oiva Juntunens handschriftlichen Text:
»Hallo Stickan! Ich habe mich vorübergehend an einen unauffindbaren Ort abgesetzt. Bitte behalt Siira im Auge, falls er aus dem Gefängnis entlassen wird. Sag den Huren schöne Grüße vom alten Oiva Juntunen.«
Remes vermerkte Stickans Adresse und Telefonnummer in seinem eigenen Notizbuch. Stickans Visitenkarte, die Oiva Juntunen ihm für das Telegramm mitgegeben hatte, besagte, dass der Mann in Stockholm eine Firma namens Menschen und Leben AG besaß. Sie vertrieb Videokassetten, Zeitschriften und Revueprogramme, unterhielt Unterkunfts- und Gaststätten und war außerdem auf finnische Saunen und Massage spezialisiert. Der Major überlegte sich, dass er vielleicht selbst einmal Verbindung zu Stickan aufnehmen könnte, da sich dessen Geschäfte auf so interessante Bereiche erstreckten.
Dann rief der Major seine Frau in Spanien an und erfuhr, dass ihre finanziellen Reserven aufgebraucht waren. Er schickte ihr von
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