Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
Vom Netzwerk:
von ihm. Er lehnt darauf in seiner Rekrutenuniform an einem runden Tisch, dessen Beine aus ungeschälten Birkenästen bestehen. Dahinter ist ein Wald gemalt als Kulisse. Auf dem Tisch steht ein Bierseidel.
    *
    Es ist der letzte Abend zu Hause. Alle sind schweigsam. Ich gehe früh zu Bett, ich fasse die Kissen an, ich drücke sie an mich und lege den Kopf hinein. Wer weiß, ob ich je wieder so in einem Federbett liegen werde!
    Meine Mutter kommt spät noch in mein Zimmer. Sie glaubt, daß ich schlafe, und ich stelle mich auch so. Zu sprechen, wach miteinander zu sein, ist zu schwer.
    Sie sitzt fast bis zum Morgen, obschon sie Schmerzen hat und sich manchmal krümmt. Endlich kann ich es nicht mehr aushaken, ich tue, als erwachte ich.
    »Geh schlafen, Mutter, du erkältest dich hier.«
    Sie sagt: »Schlafen kann ich noch genug später.«
    Ich richte mich auf. »Es geht ja nicht sofort ins Feld, Mutter. Ich muß doch erst vier Wochen ins Barackenlager. Von dort komme ich vielleicht einen Sonntag noch herüber.«
    Sie schweigt. Dann fragt sie leise: »Fürchtest du dich sehr?«
    »Nein, Mutter.«
    »Ich wollte dir noch sagen: Nimm dich vor den Frauen in acht in Frankreich. Sie sind schlecht dort.«
    Ach Mutter, Mutter! Für dich bin ich ein Kind, – warum kann ich nicht den Kopf in deinen Schoß legen und weinen? Warum muß ich immer der Stärkere und der Gefaßtere sein, ich möchte doch auch einmal weinen und getröstet werden, ich bin doch wirklich nicht viel mehr als ein Kind, im Schrank hängen noch meine kurzen Knabenhosen, – es ist doch erst so wenig Zeit her, warum ist es denn vorbei?
    So ruhig ich kann, sage ich: »Wo wir liegen, da sind keine Frauen, Mutter.«
    »Und sei recht vorsichtig dort im Felde, Paul.«
    Ach Mutter, Mutter! Warum nehme ich dich nicht in meine Arme, und wir sterben. Was sind wir doch für arme Hunde!
    »Ja, Mutter, das will ich sein.«
    »Ich werde jeden Tag für dich beten, Paul.«
    Ach Mutter, Mutter! Laß uns aufstehen und fortgehen, zurück durch die Jahre, bis all dies Elend nicht mehr auf uns liegt, zurück zu dir und mir allein, Mutter!
    »Vielleicht kannst du einen Posten bekommen, der nicht so gefährlich ist.«
    »Ja, Mutter, vielleicht komme ich in die Küche, das kann wohl sein.«
    »Nimm ihn ja an, wenn die andern auch reden –«
    »Darum kümmere ich mich nicht, Mutter –«
    Sie seufzt. Ihr Gesicht ist ein weißer Schein im Dunkel.
    »Nun mußt du schlafen gehen, Mutter.«
    Sie antwortet nicht. Ich stehe auf und lege ihr meine Decke über die Schultern. Sie stützt sich auf meinen Arm, sie hat Schmerzen. So bringe ich sie hinüber. Eine Weile bleibe ich noch bei ihr. »Du mußt nun auch gesund werden, Mutter, bis ich wiederkomme.«
    »Jaja, mein Kind.«
    »Ihr dürft mir nicht eure Sachen schicken, Mutter. Wir haben draußen genug zu essen. Ihr könnt es hier besser brauchen.«
    Wie arm sie in ihrem Bette liegt, sie, die mich liebt, mehr als alles. Als ich schon gehen will, sagt sie hastig: »Ich habe dir noch zwei Unterhosen besorgt. Es ist gute Wolle. Sie werden warm halten. Du mußt nicht vergessen, sie dir einzupacken.«
    Ach Mutter, ich weiß, was dich diese beiden Unterhosen gekostet haben an Herumstehen und Laufen und Betteln! Ach Mutter, Mutter, wie kann man es begreifen, daß ich weg muß von dir, wer hat denn anders ein Recht auf mich als du. Noch sitze ich hier, und du liegst dort, wir müssen uns so vieles sagen, aber wir werden es nie können.
    »Gute Nacht, Mutter.«
    »Gute Nacht, mein Kind.«
    Das Zimmer ist dunkel. Der Atem meiner Mutter geht darin hin und her. Dazwischen tickt die Uhr. Draußen vor den Fenstern weht es. Die Kastanien rauschen.
    Auf dem Vorplatz stolpere ich über meinen Tornister, der fertig gepackt daliegt, weil ich morgen sehr früh fort muß.
    Ich beiße in meine Kissen, ich krampfe die Fäuste um die Eisenstäbe meines Bettes. Ich hätte nie hierherkommen dürfen. Ich war gleichgültig und oft hoffnungslos draußen; – ich werde es nie mehr so sein können. Ich war ein Soldat, und nun bin ich nichts mehr als Schmerz um mich, um meine Mutter, um alles, was so trostlos und ohne Ende ist. Ich hätte nie auf Urlaub fahren dürfen.

8.
    Die Baracken im Heidelager kenne ich noch. Hier hat Himmelstoß Tjaden erzogen. Sonst aber kenne ich kaum jemand hier; alles hat gewechselt, wie immer. Nur einige der Leute habe ich früher flüchtig gesehen.
    Den Dienst mache ich mechanisch. Abends bin ich fast stets im Soldatenheim, da liegen

Weitere Kostenlose Bücher