Im Wettstreit der Gefühle (German Edition)
haftete an ihrer Seele, und ließ sie niemals vergessen, für wie überflüssig ihr Dasein gehalten wurde.
Ohne dass Erin das Medaillon unter dem kratzigen Leinenhemd hervorholen musste, konnte sie jedes Detail des Schmuckstückes vor ihren Augen entstehen lassen. Das goldene Oval wurde von einem Wappen geziert, das sie bislang noch nirgends gesehen hatte. Erin nahm an, dass es sich dabei um das Symbol des Clans handelte, bei dem ihre Familie lebte. Im Inneren des aufklappbaren Anhängers befanden sich zu Erins ständiger Enttäuschung keine Bildnisse ihrer Eltern. Der Hohlraum enthielt lediglich einen sorgfältig zusammengefalteten Zettel mit den Worten „Bitte sorgt für diese arme Waise.“. Mit dem um ihre Händchen gewundenen Medaillon und der in die Decke gesteckten Nachricht war Erin als Baby von den Nonnen vor der Tür des alten Klosters gefunden worden. Sie hoffte, mit diesen Anhaltspunkten irgendwann Verwandte ausfindig machen zu können. Jemanden, dem sie sich zugehörig fühlen durfte. Jemanden, der sich um sie kümmerte. Jemanden, der sie vor Schwierigkeiten wie den bewahren konnte, in die sie sich gerade selbst gebracht hatte.
Ächzend schrak sie aus ihren Gedanken hoch. Sie hatte solchen Durst! Wenn sie doch an einer Wasserquelle vorbeigekommen wäre. Die Sonne brannte unbarmherzig auf sie nieder. Erin konnte sich kaum mehr im Sattel halten. Lichter tanzten hinter ihren Augenlidern, und die Welt um sie herum begann sich zu drehen. Schnell und immer schneller. Langsam erbarmte sich ihr Körper und ließ sie in tiefes Vergessen gleiten.
In sicherem Abstand verfolgte Liam MacNeal mit drei seiner Männer die einsame Gestalt. Der Rest der Truppe hatte vermutlich in der Zwischenzeit ein Lager errichtet. Hoffte er zumindest bei dem Gedanken daran, dass er andernfalls noch eine Nacht direkt auf dem harten Boden verbringen müsste. Hölle!
Beinahe hätte Erin Liam mit ihrer Verkleidung in die Irre geführt, und er hätte ihre Spur verloren. Doch eine Strähne ihres einzigartigen, rotschimmernden Haares hatte unter der rasch von ihr aufgesetzten Mütze hervorgeblitzt. Um zu verhindern, dass sie panisch reagierte und damit das Pferd verschreckte, war er mit seinen Männern etwas zurückgeblieben. Denn inzwischen hatte er begonnen sich Sorgen zu machen, dass ihr auf ihrer kopflosen Flucht etwas passieren könnte, sonst wäre er ihr längst nicht mehr gefolgt. Wie es aussah, hatte er mit seinen Befürchtungen Recht behalten.
Als Liam Erin ohnmächtig werden sah, deutete er seinem Gefolge anzuhalten und ritt alleine auf Erin zu. Endlich erreichte er den leblosen Körper, der in der Zwischenzeit vom Pferd gestürzt war. Liam fluchte leise, als er Erin betrachtete. Diese wunderschöne, störrische Göre. Sie hätte vor ihm niemals solch große Angst haben müssen, dass sie glaubte, keinen Ausweg außer Flucht vor ihm zu haben. Dummerchen! Wie wenig sie ihn kannte! Er würde dafür Sorge tragen, dass sein schlechter Ruf nicht noch mehr potentielle Eroberungen verschreckte. Es war seiner körperlichen Gesundheit abträglich, wenn er zu lange auf weibliche Gesellschaft verzichten musste.
Liam lächelte. Dieses feurige Wesen stellte eine ganz besondere Herausforderung dar. Vielleicht sollte er trotz allem, was zwischen ihnen bereits schief gelaufen war, versuchen, sich mit ihr anzufreunden. Als ersten Schritt zu ihrer Eroberung.
Jetzt stieg er ab und suchte Erins Arme und Beine nach Verletzungen ab. Sie hatte sich scheinbar nichts gebrochen. Blieb nur zu hoffen, dass sie keine inneren Verletzungen bei ihrem Sturz davongetragen hatte. Plötzlich entdeckte er eine Stelle an ihrem Hinterkopf, die leicht blutete. Wenn sie nur keine Gehirnerschütterung erlitten hatte! Das würde er erst ausschließen können, wenn sie wieder zu Bewusstsein kam.
Er bat seinen Freund Walter ihm zu helfen, Erin vorsichtig auf Liams Pferd zu hieven, sodass er hinter ihr Platz nehmen konnte. Die Zügel der Stute nahm Walter in die Hand. Sie ritten zurück zu den zwei Männern, die im Schatten einer der seltenen Bäume Platz genommen hatten. Liam befahl seinen Leuten ihm zum Rest der Truppe zu folgen. Erleichtert konnte er feststellen, dass das Lager bereits provisorisch errichtet worden war. Sein Zelt stand in der Mitte der übrigen Unterkünfte, und Liam brachte Erin in die kühle Dämmerung unter dem Leinen. Dort legte er sie vorerst auf mehrere Lagen Felle.
Mit seinen eigenen Händen füllte Liam zwei Matratzen mit Stroh und Moos. Er
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