Im Wettstreit der Gefühle (German Edition)
zu Tode erschrecken. Du wirkst, als wärst du gezwungen, eine Allianz mit dem Teufel eingehen. Hast du überwunden, was auch immer dich bedrückt hat?“
Sein Freund kam der Wahrheit gefährlich nahe. „Nay, Walter. So einfach ist es nicht. Es wird nie mehr sein wie früher. Trotzdem wird sich mit der Zeit alles zum Guten wenden. … Zumindest hoffe ich das.“ Er seufzte erschöpft. „Lass uns schneller reiten. Ich habe mit einem Mal großes Heimweh.“ Er gab seinem Pferd die Sporen.
Walter schüttelte den Kopf und hatte Mühe, ihm zu folgen. „Was mag nur passiert sein?“ murmelte er halblaut.
Endlich auf Sigleß angekommen saß Liam ab und ließ sein Pferd einfach stehen. Er wusste, dass Walter sich darum kümmern würde. Mit festen Schritten marschierte er in sein Arbeitszimmer.
Er hatte Wichtiges zu tun.
Er musste den schwersten Brief seines Lebens schreiben.
16. Kapitel
„Ihr könnt unmöglich hier bei mir bleiben.“
Scott Scrimgeour lächelte und hob angesichts ihres herrischen Tonfalls eine Augenbraue. „Ich werde dennoch in Eurer Nähe bleiben … Lady MacNeal. Noch seid Ihr Bedrohungen ausgesetzt.“
„Nennt mich nie wieder so!“ Erin wurde bewusst, dass sie unnötigerweise ihre Stimme erhoben hatte. „Tut mir leid. Ich wollte nicht … dieser Name … er gehört nicht zu mir.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ihr solltet nach Hause zurückkehren und Liam bitten, Euch wieder aufzunehmen.“
„Meine Aufgabe ist noch nicht erledigt. Ich muss Euch beschützen. Ich werde Euch Tag und Nacht begleiten.“
„Das ist nicht möglich. … Die anderen Frauen im Waisenhaus …Sie werden Eure Anwesenheit nicht verstehen.“ Sie seufzte. „Ich will diese Aufmerksamkeit nicht. Keine Komplikationen mehr. Ich sehne mich nach meinem alten Leben in Normalität. Oder was davon noch übrig ist.“
Scott runzelte die Stirn. „Aber Eure Sicherheit …“
„… ist nicht in Gefahr. Hier im Waisenhaus kann mir nichts passieren. Niemand außer Liam ist hinter mir her. Und bei seiner Ankunft untersteht Ihr ohnehin wieder seinen Befehlen. … Bitte schenkt mir die Beruhigung, dass ich Euch keine Schwierigkeiten mehr bereite.“
Endlich erklärte Scott sich bereit, nach Sigleß zurückzukehren. Erin übergab ihm die Zügel des Pferdes, das aus Liams Stall stammte. Dann ging sie die letzten Schritte bis zum Tor des Waisenhauses und klopfte. Ein junges Mädchen öffnete.
„Erin ist wieder da!“ rief sie jubelnd und fiel Erin um den Hals. „Wir haben dich gesucht. Niemand wollte uns sagen, was los ist.“
„Das ist eine lange Geschichte, aber ich werde sie dir erzählen.“
Das Mädchen begann zu strahlen. „Heute Abend beim Schlafengehen?“
Erin nickte und warf dann einen Blick zurück auf Scott. Die Augen in seinem runzeligen Gesicht wirkten besorgt. Sie winkte ihm zu und trat ein. Erin bereute, ihm nicht mitgeteilt zu haben, wie dankbar sie ihm für ihre Hilfe war. Vielleicht ergab sich irgendwann die Möglichkeit, dieses Versäumnis nachzuholen. Obwohl sie hoffte, nie mehr nach Sigleß zu müssen.
Die Begrüßung der anderen Waisenkinder und Frauen fiel herzlich aus. Sobald es Erin gelang, zog sie sich allerdings von den Fragen und neugierigen Blicken zurück. Erin war froh, dass sie neuerlich das Zimmer mit ihrer Freundin Anne teilen konnte.
Sie konnte sich noch genau an ihre erste Begegnung mit Anne erinnern. Das fünfjähre Mädchen war gerade in das Waisenhaus gekommen, weil ihre Eltern gestorben waren und es niemanden gab, der sie aufnehmen konnte.
„Warum sind deine Haare rot?“ hatte Anne vorwitzig gefragt.
„Weil mich ein Prinz aus dem Feuer gerettet und hierher gebracht hat“, antwortete Erin. „Er ritt auf einem weißen Ross davon, und eines Tages kommt er mich wieder holen.“
Zeit ihres Lebens hatte Erin von diesem Ritter geträumt. Er stand in ihrer Fantasie stellvertretend für ihre Familie. Den Gedanken, dass sie möglicherweise nicht gewollt und deshalb ins Waisenhaus gesteckt worden war, wies sie stets von sich. Keines der Kinder dort wollte so etwas Grausames glauben. Das war ihr einziger Schutz vor der harten Welt außerhalb des Waisenhauses.
Hin und wieder waren Ehepaare vorbeigekommen, um ein Kind zu sich zu nehmen, doch niemals war die Wahl auf Erin oder Anne gefallen. Die zwei gleichaltrigen Mädchen waren deshalb nie lange traurig. Sie wussten, solange sie zusammen waren, konnte ihnen nichts passieren.
Eigentlich hätten sie seit langer Zeit das Recht
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