Im Wettstreit der Gefühle (German Edition)
Behauptung, dass es sein Leben lang immer nur um ihn und seine Bedürfnisse gegangen war. Männer wie er hatten dieses Privileg. Liam musste nur mit den Fingern schnippen, und jede Frau las ihm seine Wünsche von den Augen ab. Zuerst hatte diese Aufgabe seine Mutter und seine Amme übernommen. Danach hatten die Frauen des Hauses ihn verwöhnt. Als er schließlich im zarten Alter von dreizehn bemerkt hatte, dass die Art seines Interesses an Frauen sich verändert hatte, waren die jungen Dienstmägde nur zu gerne bereit gewesen, ihm in ihren Betten Genuss zu bereiten.
Als Erin in sein Leben getreten war, hatte er zunächst angenommen, sie würde seine Aufmerksamkeit genauso begrüßen. Eine junge Frau aus dem Waisenhaus, hungrig nach Liebe und dem Gefühl nach Zugehörigkeit. Doch sie hatte ihn immer und immer wieder darauf hingewiesen, dass sie keinen Wert darauf legte, seiner langen Liste von Eroberungen hinzugefügt zu werden. Auch wenn sie sich offensichtlich zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Und er hatte nichts Besseres zu tun, als diesen laut ausgesprochenen Wunsch zu ignorieren und die Situation nach ihrem Unfall für seine Zwecke auszunutzen. Eigentlich hatte er ihre Abscheu und ewige Verdammnis verdient. Fand er vielleicht eine Gelegenheit, seine Hinterlistigkeit wiedergutzumachen? Erhielten Erin und er eine zweite Chance?
Plötzlich kam ihm eine Idee. Der Anhänger, den sie ständig bei sich hatte, würde ihn möglicherweise zu ihrer Familie führen. Sollte es sich bei dem Wappen um das ihres Clans handeln, dann würde er ihre Eltern dadurch finden. Das könnte das Zeichen sein, auf das Erin gehofft hatte. Er könnte damit beweisen, dass er bereit war, Mühe zu investieren und etwas für ihre Beziehung zu tun.
Während er seinen Gedanken nachhing, hatte er sich auf den Weg zu seinem Pferd gemacht, wo auch Walter auf ihn wartete. Sein Freund blickte ihm neugierig entgegen, doch er schüttelte nur den Kopf und nahm auf dem Boden Platz. Liam bat um Papier und versuchte, das Wappen aus seinem Gedächtnis zu rekonstruieren.
In der folgenden Stunde richtete Walter in regelmäßigen Abständen Fragen an ihn, doch er reagierte nicht einmal darauf. Liams Aufgabe war von größter Wichtigkeit. Er durfte sich von niemandem davon abhalten lassen.
Als er endlich mit dem Ergebnis seiner Bemühungen zufrieden war, hob er den Kopf. „Ich muss dringend mit Finlay sprechen.“
Walters Augenbrauen hoben sich, doch er wagte offensichtlich nicht, nach dem Grund zu fragen.
„Wir werden sofort aufbrechen“, verkündete Liam.
„Wollen wir nicht hier übernachten und morgen in der Früh aufbrechen? Es ist nicht mehr lange hell“, gab Walter zu bedenken.
„Es bleibt keine Zeit für eine Rast. Wir werden die Nacht durchreiten.“
„Aber in die Berge während der Dunkelheit …“
Liam machte eine wegwerfende Handbewegung. „Bis wir in die Nähe von gefährlichem Terrain gelangen, ist die Sonne längst wieder aufgegangen. … Die Hauptsache ist, dass wir bald bei seiner Einsiedelei ankommen.“
„Ihr habt Euch lange nicht blicken lassen, mein Sohn.“ Die klugen, nachdenklichen Augen des Mannes ruhten mit einem freundlichen Blitzen auf Liam.
„Ich hatte viel zu tun.“ Liam sah sich in der kleinen, zugigen Hütte um. Außer einem Bett und einer Feuerstelle gab es jedoch nicht viel zu entdecken.
Finlay deutete auf einen freien Teil der Decke, auf der er selbst im Schneidersitz Platz genommen hatte. „Wollt Ihr Euch nicht setzen?“
Liam schüttelte den Kopf.
„Darf ich Euch etwas zu trinken anbieten?“
Neuerlich lehnte Liam mit höflichen Worten ab. Es würde ihm seltsam erscheinen, mit Finlay in seiner Bergkatte im Nirgendwo Tee zu schlürfen, während seine eigene Welt Kopf stand.
„Angeblich habt Ihr seit Auflösung des Rates Sigleß zu neuer Blüte verholfen. Ihr sollt Eure Aufgaben weise und zum Wohle aller erledigen.“
Die einschüchternde Gegenwart seines ehemaligen Ratgebers mit den schulterlangen, weißen Haaren ließ Liam unruhig auf und ab gehen. Die ersten Jahre, nachdem er Clansherr geworden war, hatte der Rat ihm bei seinen Pflichten zur Seite gestanden. Doch irgendwann war es Zeit geworden, ihn aufzulösen. Liam hatte es satt gehabt, bei allen Änderungen und Neuerungen eine Versammlung einberufen und auf die Zustimmung der Ratsmitglieder warten zu müssen. „Danke für Euer Lob. Meine letzten Entscheidungen haben sich allerdings als nicht gerade klug erwiesen.“
„Ich habe von den
Weitere Kostenlose Bücher