Im Zauber der Gefuehle
stellte Lord Westcliff freundlich fest und ließ seinen stechenden Blick über ihren bäuerlichen Aufzug schweifen. »So weit es mich angeht, ist es Euch nicht verboten, Euch im Dorf zu vergnügen — obgleich es zweifelsohne klug wäre, derartige Aktivitäten vor der Herzoginwitwe zu verschweigen.« Er wies mit der Zigarre in Richtung der Glastüren. »Ihr dürft Euch jetzt zurückziehen, während ich noch etwas mit Lord Sydney zu besprechen habe.«
Lottie nickte sichtbar erleichtert. »Sehr wohl, Sir.« Als sie jedoch gehen wollte, spürte sie zu ihrer Verblüffung, wie Lord Sydneys Hand sich sanft, aber bestimmt auf ihren Arm legte.
»Wartet.«
Verwirrt erstarrte sie mitten in der Bewegung, wobei sich ihr Gesicht mit einer zarten Röte überzog. Sie konnte es nicht fassen, dass er es wagte, sie in Gegenwart des Grafen zu berühren. »Mylord«, flüsterte sie abwehrend.
Sydney erwiderte ihren Blick nicht, sondern behielt die herben Gesichtszüge des Grafen im Auge. »Bevor Miss
Miller sich zurückzieht, solltet Ihr mir besser sagen, um was es hier geht.«
»Es geht um Eure angebliche Familie«, entgegnete Lord Westcliff leise. »Und Eure angebliche Vergangenheit.« ln den ruhigen Worten schwang Ablehnung mit. Der verurteilende Gesichtsausdruck des Grafen verriet Lottie, dass etwas nicht stimmte. Die letzten zärtlichen Erinnerungen an die zauberhaften Augenblicke im Wald verschwanden mit einem Schlag.
Verwirrt starrte sie Lord Sydney an. Sein Gesicht hatte sich verändert, war nicht mehr schön, sondern wirkte hart und kalt. Wer ihn in diesem Augenblick zum ersten Mal sah, würde denken, dass dieser Mann zu allem fähig war. Sie konnte nun gar nicht mehr glauben, dass sie noch vor wenigen Minuten diesen eisernen Mund geküsst und seine Hände sie an überaus intimen Stellen ihres Körpers liebkost hatten. Als er sprach, klang selbst seine Stimme anders, die Aussprache war ein wenig grober. Der aristokratische Lack war abgeblättert und gab den Blick auf die steinigen Schichten darunter frei. »Ich würde es vorziehen, diese Angelegenheit in einem privateren Rahmen zu besprechen«, erklärte er dem Grafen.
Mit eisiger Höflichkeit neigte Westcliff den Kopf. »In dem Flügel, den meine Familie bewohnt, befindet sich ein Arbeitszimmer. Wäre Euch dieser Ort genehm?«
»Ja.« Sydney hielt nachdenklich inne, bevor er hinzufügte: »Miss Miller wird uns begleiten.«
Lottie starrte ihn entgeistert an. Sein Wunsch ergab nicht den leisesten Sinn und auf einmal war ihr eiskalt, und sie spürte, wie ihr ein Schauder über den Nacken lief. »Warum?«, wollte sie mit trockenen Lippen wissen.
»Sie hat nichts mit der Sache zu tun«, meinte Westcliff kurz angebunden, indem er sich von seinem Stuhl erhob.
Lord Sydneys Antlitz war immer noch Finster und unbeweglich. »Sie hat sogar sehr viel damit zu tun.«
Auf der Stelle wurde Lottie kreidebleich, und ihre Haut schien überall zu kribbeln und zu beißen, als sei sie in einen gefrorenen Weiher gefallen. Eine lähmende Ahnung beschlich sie, und es fiel ihr immer schwerer, etwas zu sagen oder sich auch nur vom Fleck zu rühren.
Der Graf ließ die Zigarre auf den Terrassenboden fallen und trat sie mit dem Fuß aus. Er klang ausgesprochen ungeduldig, was sonst nicht seine Art war. »Miss Miller, würdet Ihr die Freundlichkeit besitzen, uns zu begleiten? Es scheint so, als gäbe es ein kleines Geheimnis zu lüften.«
Wie eine Marionette nickte Lottie und folgte dem Grafen ins Innere des Hauses, obwohl jeder ihrer Instinkte ihr riet, auf der Stelle die Flucht zu ergreifen. Es blieb ihr allerdings nichts anderes übrig, als seiner Aufforderung Folge zu leisten und ihren Part in dieser Schmierenkomödie zu spielen. Sie zwang sich dazu, ruhig zu bleiben, und begab sich mit den beiden Männern in das private Arbeitszimmer, dessen Rosenholzverkleidung im Lampenlicht rötlich schimmerte. Der Raum wirkte karg und ungemütlich, wies kaum Polstermöbel, dafür umso mehr scharfe Kanten und Ecken auf und war abgesehen von der ursprünglichen Reihe mit getönten Fenstern bar jeden Schmucks.
Während Lord Westcliff die Tür schloss, stellte Lottie sicher, dass zwischen ihr und Sydney so viel Abstand wie möglich bestand. Eine böse Vorahnung ließ ein Gefühl der Übelkeit in ihr aufsteigen, und sie brachte es nicht fertig, Lord Sydney direkt anzusehen, obgleich sie sich seiner Gegenwart aufs Heftigste bewusst war.
Da sprach Lord Westcliff. »Wollt Ihr Euch nicht setzen, Miss
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