Im Zauber des Highlanders
wenn Cian Zwang auf sie ausüben wollte, spürte sie ein eigenartiges Jucken auf der Kopfhaut, genau an der Stelle, an der die Metallplatte die Schädelknochen zusammenhielt. Ganz am Anfang, als sie ihn befreit und er versucht hatte, ihr etwas abzunötigen, war dieses Gefühl besonders stark gewesen. Es war, als würden seine Befehle auf die Metallplatte prallen und sie zum Vibrieren bringen. Zwar verstand Jessi nicht, was genau da vor sich ging, sie wusste lediglich, dass die Platte sie vor seiner Magie abschirmte.
Gott sei Dank! Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie froh, diesen schlimmen Sturz und den Schädelbruch erlitten zu haben.
Bis zum bitteren Ende, Frau, hatte er auf dem Parkplatz im Regen gesagt und damit gemeint, dass er die Stimme eingesetzt hätte, um Sex mit ihr zu haben.
Das hatte sie durcheinander gebracht. Sehr sogar.
Bis sie begriffen hatte, dass er log.
Vielleicht glaubte er selbst, dass er sie so weit gebracht hätte, aber sie war anderer Ansicht.
Sie beurteilte Menschen nach ihren Taten, nicht nach Worten. Und seine Taten widersprachen den Worten. Hunde, die bellen, beißen nicht. Selbst die Kommandos, mit deren Hilfe er sie an Bord der Maschine gebracht hatte, waren gemäßigt gewesen. Er hatte nur so viel Zwang ausgeübt, wie nötig gewesen war, um sein Ziel zu erreichen.
Eines stand fest: Jeder Mann, der Magie einsetzen würde, um gegen ihren Willen Sex mit ihr zu haben, hätte seine Taktik geändert, wenn der Zauber versagte, und sie brutal vergewaltigt.
Insbesondere nach mehr als elfhundert Jahren erzwungenen Zölibats.
Cian hätte, so stark und muskulös wie er war, viele Möglichkeiten, ihr das anzutun, was er wollte.
Und er hatte ihr kein Haar gekrümmt.
Sie zog die Beine auf den Nebensitz und kuschelte sich in die Decke. Die Lichter waren gedämpft, und das stete Brummen der Maschinen machte sie noch schläfriger, als sie nach dem langen Tag ohnehin schon war.
Sie schloss die Augen und grübelte über die magische Fähigkeit nach. Druiden-Stimme, hatte Cian diese Kunst genannt. Jessi versuchte sich auszumalen, wie es wohl sein mochte, wenn die Menschen alles taten, was man wollte.
Die ungeheuren Möglichkeiten, die sich da auftaten, überwältigten sie gerade zu.
Aber auch die Verantwortung war riesengroß.
Ein Druide, der sich zum Hexenmeister gewandelt hatte ? Sie war sich dessen nicht so sicher. Oh, vielleicht war Cian ein bisschen böse, aber er war ganz bestimmt kein Teufel. Im Gegenteil - wenn man bedachte, wozu er alles imstande wäre, hielt er sich sehr zurück.
Sie gähnte und fragte sich, wie alt er war, als ihm bewusst wurde, dass er ungeheuerliche Kräfte besaß. Die »Stimme« bedeutete vollkommene Macht über andere und absolute Freiheit. Man konnte ein Leben ohne jede Bestrafung führen.
Keine Entschuldigungen oder Ausreden waren nötig.
Wenn sie diese Begabung hätte, ging es ihr durch den Kopf, könnte sie jederzeit in ein Flugzeug steigen, wenn sie wollte, nach England fliegen und die maßgeblichen Leute dazu bringen, dass sie in Stonehenge Nachforschungen anstellen konnte. Oder sie könnte nach Irland reisen und bei Museumsbesuchen die Ausstellungsstücke berühren. Ja sogar manche Sachen mit nach Hause nehmen!
Oder, sinnierte sie verträumt, sie könnte zur Bank gehen und sich Millionen Dollar geben lassen, sich Häuser in zehn verschiedenen Ländern kaufen und ihr Leben an weißen Stränden in der Sonne verbringen. Oder - zum Teufel mit dem Geld! - sie könnte einfach in diese Länder reisen und die Leute dazu bringen, ihr Häuser zu schenken. Sie überlegte, wie viele Menschen die Stimme gleichzeitig in Schach halten konnte. Sicherlich gab es da auch Grenzen.
»Was für eine unvorstellbare Macht«, murmelte sie und seufzte schläfrig. Die Welt wäre buchstäblich ein Spielplatz.
Und trotz dieser Kunst war Cian seit Jahrhunderten Gefangener dieses Spiegels.
Der kraftvolle Körper eines Kriegers, dennoch sanfte Hände. Ausgestattet mit furchteinflößender Magie und trotzdem ein Gefangener.
Er war ein Rätsel!
Kurz bevor der Schlaf sie übermannte, dachte sie noch, dass sie sich große Sorgen machen müsste, weil sie sich mitten in dem Chaos, in dem sie steckte, darauf freute, dieses Rätsel zu entschlüsseln.
An a it a bhfuil do chroi is ann a thabharfas do chosa th u.
(Deine Füße bringen dich dorthin, wo dein Herz ist.)
Altes schottisches Sprichwort
TEIL 2
Schottland
14
Drei Uhr morgens
Flughafen
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