Im Zeichen der blauen Flamme
erbärmliches Winseln überging. Auf der anderen Seite der Lichtung wippte ein Zweig auf und nieder und verlor seine Schneelast. Eine Gestalt wurde sichtbar, schwärzer als die finsterste Nacht. Sie bewegte sich wie ein Mensch, der schwerfällig seinen Weg durch das Dickicht sucht. Es war ein Bär, mit einem weiÃen, sichelförmigen Fellkragen um den Hals. Die offene, dampfende Schnauze war schnüffelnd vorgestreckt. Ein zweiter, ein dritter Bär brachen durch das Unterholz, und es kamen noch mehr. Von allen Seiten erfüllten Geräusche knackender und raschelnder Zweige den Wald. Die Krieger waren leichenblass, bewahrten aber ihre Fassung. Von wilder Angst gepackt, hatten die Diener Hals über Kopf Schutz in den Felsen gesucht. Man hörte sie flüstern, jammern und Beschwörungen murmeln.
Susanoo stand neben Kubichi, regungslos wie ein Baum im Schnee, die Faust um seinen Schwertgriff geballt. Er presste die Lippen fest zusammen. Kubichis Finger auf seinem Arm brannten vor innerem Feuer. Plötzlich entfuhr ein schriller, sehr kurzer Pfeifton ihrer Kehle. Die Bären sanken auf ihre Tatzen, schaukelten den Kopf hin und her. Wie lautlos heranrollende Felsbrocken bewegten sie sich auf die knurrenden, zähnefletschenden Wölfe zu, die sich mit flach anliegenden Ohren im Gestrüpp duckten. Der ätzende Bärengeruch stieg bis ins Lager hinauf. Auf einmal schnellte ein Wolf aus dem Unterholz hervor, sprang mit gewaltigem Satz dem Schwarzbären an die Kehle. Geschmeidig, mit wunderbarer Leichtigkeit, richtete das mächtige Tier sich auf der Hinterhand auf und fegte den Wolf mit einem einzigen Prankenhieb über den Hang. Der Wolf überschlug sich jaulend, blieb mit gebrochenem Rückgrat im Schnee liegen. Das war das Signal zum Angriff. Brummen, Knurren und Kläffen erfüllte die Lichtung. Und während die Bären den anspringenden Wölfen die Krallen ins Genick schlugen, sie an ihre Brust drückten und ihnen die Knochen zermalmten, stieà Kubichi unbefangen und arglos ihr fröhliches, glockenklares Lachen aus. Die Wölfe winselten demütig. Die Bären trieben sie vor sich her, lenkten sie Schritt für Schritt auf die Büsche zu, hinter die sich die meisten Tiere bereits zurückgezogen hatten. Allmählich verstummte der Lärm. Die Wölfe fügten sich und suchten das Weite. Stille senkte sich über den Wald. Einige Bären, noch von Kampfbegierde gepackt, schnüffelten an den Kadavern der Wölfe und zerrissen sie mit ihren Krallen. Der Schwarzbär trottete unentschlossen hierhin und dorthin. Er brummte leise; Speichel tropfte aus seiner keilförmigen Schnauze. Susanoo hörte deutlich das schleifende Geräusch seiner Klauen.
»Gib acht!«, raunte ihm Kubichi zu. »Er ist sehr angriffslustig. Ich gehe ihm jetzt entgegen, aber folge mir nicht!« Bevor er einen Einwand erheben konnte, trat sie in die eisige Finsternis hinaus und schritt auf den Bären zu. Susanoo biss sich die Lippen blutig, zwang sich zur Regungslosigkeit und zitterte um ihr Leben. Er sah, wie der Bär stehen blieb und gleichzeitig auch Kubichi. Ein Zischeln drang aus der Kehle des Tieres; Susanoo sah seine Augen im Dunkeln glitzern. Einige Atemzüge lang rührte sich keiner der beiden. Dann bewegte sich der Schwarzbär ein wenig auf sie zu. Kubichi blickte ihm gerade in die Augen, ohne sich zu rühren. Um sie herum wanderten die Bären wie schwarze Schatten durch den Schnee. Susanoo brach der Schweià aus. Sollte sich einer der Bären, die den Blutgeruch noch in der Nase hatten, in einem plötzlichen Wutanfall auf Kubichi stürzen, war sie verloren. Er würde sie - trotz seiner Kraft und seiner Waffe - nicht retten können.
Jetzt trat der Schwarzbär einen Schritt zurück und Kubichi einen Schritt vorwärts. Dann standen sie von Neuem unbeweglich da. Aus den Augenwinkeln bemerkte Susanoo, wie Hokiji vorsichtig seinen Bogen spannte. Ohne den Blick von der jungen Frau abzuwenden, hob er warnend die Hand. Er wusste, dass Kubichis innere Macht sie vor dem Tier mehr schützte als ein tödlicher Pfeil.
Wieder drang der scharfe Pfiff über Kubichis Lippen. Der Schwarzbär richtete sich mit leisem Brummen auf der Hinterhand auf. Eine seltsame Schwäche lähmte Susanoos Gedanken. Er sah wie im Traum, dass das riesige Tier seine Vordertatzen Kubichi auf die Schultern legte und ihre Haut beschnüffelte. Er schien
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