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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ihren Atem zu trinken. Dann, zärtlich hechelnd, streckte er eine seiner Tatzen aus, schob die gepolsterte, empfindliche Innenseite Kubichi um den Nacken, zog ihren Kopf zu sich heran und leckte ihr das Gesicht. Dann ließ er sich geräuschlos zu Boden fallen und saß da wie ein plumper, gutmütiger Hund. Einige Bären schnüffelten an der vor ihnen stehenden menschlichen Gestalt, ohne jedoch das geringste Anzeichen von Misstrauen oder Feindseligkeit zu zeigen.
    Susanoo konnte Kubichis Ausdruck nicht sehen, aber er wusste, dass sie mit ihren Blicken jeden einzelnen Bären, der sich ihr näherte, prüfte und in ihrem Bann hielt. Und plötzlich wurde sich Susanoo bewusst, dass er an jener Verbindung keinen Anteil hatte - einer Verbindung, die für Kubichi ebenso selbstverständlich und lebensnotwendig war wie das Atmen. Und der Schmerz, der ihn dabei durchzuckte, war so stechend und tief, dass er ihn nicht wahrhaben wollte.
    Ein klirrendes Geräusch riss ihn in die Wirklichkeit zurück. Die Krieger hatten ihre Waffen sinken lassen und blickten wie verzückt auf ihre Herrscherin. Sie wagten nicht, in Jubel auszubrechen, doch einige verneigten sich und hielten die Schultern tief gebeugt.
    Langsam und ruhig trat Kubichi zurück. Der Bär wollte ihr folgen. Da stieß sie abermals ihren Pfiff aus. Der Bär wiegte sich unschlüssig hin und her, dann wandte er sich um und trottete gemächlich zwischen den Bäumen davon. Der Bann war gebrochen. Wie sie gekommen waren, so verschwanden die Bären wieder einer nach dem andern im Dunkeln. Das Knacken der Zweige entfernte sich allmählich. Zurück blieben, wie schwarze blutige Klumpen, die Wolfskadaver, die der Schnee lautlos zudeckte …
    Susanoo verließ den Halbkreis des Feuers und trat Kubichi langsam entgegen. Sie gingen in einer Bewegung aufeinander zu, die weder von ihrem Willen noch von ihrem Bewusstsein abhing. Susanoo legte beide Hände um Kubichis Schultern und zog die junge Frau an sich. Ihr wirres Haar war seidig wie das eines Kindes und die Spitzen klebten vor Nässe aneinander. Als sie zu ihm aufblickte, war ihr Gesicht heiter; sie lächelte rätselhaft und still. Unter der blauen Tätowierung schimmerten ihre Lider blank und glatt und ihre Wangen glühten. Er spürte den Geruch der Bären, der auf ihrer Haut einen seltsam erregenden Duft hinterlassen hatte, und schmiegte sein Gesicht an das ihre. Lange sog er den Geruch ihrer Haut ein, so wie es kurz zuvor der Bär getan hatte. Dann sagte er leise: »Ich habe Angst um dich gehabt.«
    Â»Um mich?« Ihr Gesicht drückte Erstaunen aus. »Hast du geglaubt, die Bären könnten mir etwas Böses antun?« Unvermittelt ergriff sie seine Hand, und er spürte die zarten und dennoch kräftigen Finger, die sich selbstsicher und beruhigend wie ein Armband um sein Handgelenk schlossen. Da schwieg er und schüttelte lächelnd den Kopf.
    Â»Die Bären wachen über uns«, fuhr sie fort. »Wir werden ruhig schlafen können. Die Wölfe greifen jetzt nicht mehr an.«
    Ich habe mich getäuscht, als ich annahm, die Göttin habe mich verlassen, dachte er. Wenn auch das Sternenschwert tief versunken auf dem Meeresboden lag, so war es jetzt Kubichis Kraft, die ihm die Waffe ersetzte. Es war die Kraft der wachsenden Bäume und des wirbelnden Schnees, die Kraft der ziehenden Wolken und die der wandernden Sterne. Es war die Kraft des Lebens, die ihn auf eine Ebene hob, wo kein Gebet mehr erforderlich war, denn in seinem Herzen lebte die wechselseitige Harmonie von Himmel und Erde. Und wie die Bäume und Gräser unaufhörlich emportreiben, so wirkte in ihm diese Kraft, die aus dem Geheimnis der Natur herauslebte und die Grundlage des Menschseins war …
    Er dachte an Masumis Opfertod. Sie war nicht umsonst gestorben. Der böse Fluch war gebannt. Der rote Berg hatte sie freigegeben.
    Er hob Kubichi in seine Arme und schritt dem Feuer entgegen. Sie lächelte gelöst und lehnte den Kopf an seine Schulter. Er spürte durch den dichten Pelz die Wärme ihres Körpers. Sie war leicht wie ein Kind, und dennoch schien es ihm, dass er eine Welt in seinen Armen trug …

11
    I m dichten Nebel gelang es dem Mann, die Festung ungesehen zu erreichen. Nun kauerte er im Schilf und ließ seine Blicke über die steil aufragende Mauer schweifen. Er hatte ein ausdrucksvolles Gesicht und der dichte schwarze Bart hob

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