Im Zeichen der blauen Flamme
damit sie von den Wölfen verschont bleibt.«
Eisai schluckte krampfhaft. »Wie Ihr befehlt, Majestät.«
Er gab einigen Männern einen Wink und sie machten sich an die Arbeit. Als das Grab geschaufelt war, wickelte Eisai die Tote in seinen Mantel und legte sie hinein. Die Männer lieÃen ihm Zeit, noch ein letztes Mal ihr Gesicht zu betrachten, dann schaufelten sie das Grab zu und häuften Steine auf die lockere Erde. Der Tag erwachte, grau und dunstig. Die Reiter machten sich zum Aufbruch bereit, doch Eisai blieb bis zum letzten Augenblick am Rande des Grabes sitzen. Er wusste, dass die Steine die richtige GröÃe hatten, doch wenn er an den schmalen Körper dachte, den sie schützten, war er froh, dass sie nicht noch schwerer waren.
10
S chattenhaft trabten die Reiter durch den Nebel. Der Wind, der in der Nacht abgeklungen war, fing plötzlich wieder an zu tosen. Die Kälte wurde beiÃender. Schnee fiel in wirbelnden Flocken.
Die Reiter näherten sich dem Waldgürtel, als ein klagendes Geheul das Pfeifen des Windes übertönte. Ihm antwortete in der Ferne, jenseits der Hügel, ein dumpfes, lang gezogenes Echo. Die Pferde wieherten vor Entsetzen, stampften und schlugen aus.
Kubichi hielt ihre Stute mit eiserner Faust. »Es sind mehrere Rudel! Wölfe können denken und planen wie Menschen. Sie werden versuchen, uns einzukreisen â¦Â«
»Wir müssen durch den Wald, bevor es dunkel wird!« Susanoo rammte Kuri-Uma die Fersen in die Flanken. Es blieb ihnen nicht mehr viel Zeit. Mittag war längst vorüber und die Nacht kam früh. Die Pferde stolperten über Schneelöcher und Geröll, taumelten unter der Gewalt des Sturmes. Bald erweiterte sich die Schlucht. Zwischen Tannen und Kiefern bildeten Felsbrocken weiÃe Buckel. Der Schnee lag schwer auf den Baumwipfeln, und manchmal, wenn sich die Zweige im Wind knarrend bewegten, brach die Schneemasse zerstäubend wie eine groÃe weiÃe Wolke zusammen. Das Heulen der Wölfe setzte zeitweilig aus, aber die Reiter hörten, dass es näher kam. Die Pferde zitterten vor Angst und Erschöpfung. Das letzte Tageslicht sickerte grau und kränklich durch die Stämme, als die Reiter in schwerfälligem Galopp über den Hügelkamm sprengten. Auf einmal tauchten kurz vor ihnen aus dem Nebel eine Anzahl geduckter Schatten auf. Die Reiter rissen ihre Pferde zurück, wendeten, dass der Schnee unter den Hufen aufstob.
»Bei allen Geistern!« Susanoos Stimme überschlug sich. »Wir sind ihnen wie Frischlinge in die Falle gegangen!«
Es gab kein Entrinnen mehr: Links stellte sich ihnen eine Wand aus mächtigen Felsbrocken entgegen; rechts rauschte ein Wildbach unter einer vereisten Schneedecke. Die Männer senkten ihre Speere, rissen die Schwerter aus den Scheiden. In schwerelosen Sprüngen setzten die Wölfe über den Schnee. Der Wind trug den Pferden ihre scharfe Ausdünstung zu. Der Wald füllte sich mit Knurren, Klagen und markerschütterndem Wiehern. Die Stallburschen schlugen fluchend auf die Packpferde ein, hetzten sie in wilder Panik über die Lichtung. Blut rötete die Speere, jeder Schwerthieb traf. Immer wenn ein Wolf erschlaffend in den Schnee rollte, fielen seine Artgenossen knurrend und zähnefletschend über ihn her, rissen ihn bei lebendigem Leibe in Stücke. Auf diese Weise gelang es den Reitern, einen Abstand von ihren Verfolgern zu gewinnen. Doch die Frist war nur von kurzer Dauer. Grünliche Augen leuchteten im Dickicht: Erneut brach ein Rudel aus dem Unterholz hervor. Die Reiter versuchten zu wenden, doch ein Abgrund versperrte ihnen den Fluchtweg. Die gehetzten Pferde galoppierten an dem Spalt entlang, immer in Gefahr, auf den weichen Erd- und Schneemassen abzurutschen und in die Tiefe zu stürzen. Die Wölfe krochen lautlos näher, zogen ihren tödlichen Kreis immer enger. Susanoo musste einsehen, dass es ihnen kaum gelingen würde, ihre Front zu durchbrechen. Das verwundete Packpferd stolperte, brach mit schweiÃbedeckten Flanken in die Knie. Der berittene Stallbursche, der es führte, zerrte schreiend und fluchend an seiner Leine.
»Vorwärts! Da auf den Felshang hinauf!«, brüllte Susanoo. Sein Schwert deutete auf einen riesigen Granitblock, der sich über den Bäumen wie ein schwarzer Turm in den Himmel hob.
Die Pferde rasten mit donnernden Hufen durch das Dickicht. Der Stallbursche lieà sich
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