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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ritt ich durch die staubaufwirbelnde, sich teilende Masse. Und ich richtete keinen Blick auf irgendeinen der Männer, die ringsum wie ein einziger Mensch ihre Schultern beugten …
    Ãœber dem tiefgrünen Wallgraben ragte der Festungsbau in den Himmel. Die übereinandergeschachtelten Strohdächer glichen geschwungenen Drachenflügeln. Die Schilder der Wachen blinkten zwischen den Zinnen, und der Wind trug mir den Schall der Muschelhörner zu, die meine Ankunft ankündigten. Jetzt galt es, schnell zu handeln. Ich hieß die Männer anhalten und befahl Maki, ihre Kleider mit mir zu tauschen. Dann wickelte ich das Kind aus den Tüchern. Das Baby war sehr schwach, kaum dass es sich regte. Die Haut war heiß und trocken, die Augen hielt es geschlossen. Hastig streifte ich meine Lederarmbänder ab, an denen rote Achatsteine in Form von Bärenkrallen hingen. Es waren die heiligen Tama-Steine, das Symbol des uralten Paktes mit dem Tierreich. Indem ich diese Armbänder um die winzigen Handgelenke des Neugeborenen knotete, machte ich es zum Nachkommen des Königsgeschlechts von Yamatai. Ich verbarg das Kind unter Makis Überwurf. Dann wechselten wir die Pferde. Jetzt war es die Zofe, die in Harnisch und Beinschienen an der Spitze der Leibgarde ritt.
    Wir kamen über die Brücke, erreichten das Tor. Die mächtigen Flügel sprangen auf; die Wachen senkten ihre Speere zum Gruß. Stallburschen eilten herbei, um sich der erschöpften Pferde anzunehmen. Während Yeasu der vermeintlichen Herrscherin aus dem Sattel half, glitt ich unbemerkt vom Pferd. Schnell bahnte ich mir einen Weg durch das Menschenknäuel und verschwand in einer Nebentür. Ich lief durch Hallen und Gänge, hastete die Treppen hinauf, die in die obersten Stockwerke führten. Mit fliegendem Atem rannte ich an den Wachen vorbei und betrat den Vorraum meiner Gemächer. Die innere Schiebetür wurde aufgezogen. Eine Dienerin trat mir entgegen und fiel auf die Knie. »Hol Sona, schnell!«, keuchte ich. »Ja, Majestät!« Die Dienerin stürzte davon. Andere Frauen kamen aus den Nebenräumen und verneigten sich verstört. Ihre Augen weiteten sich verständnislos und schreckerfüllt, als ich das Neugeborene aus dem Überwurf holte. Da glitt die Schiebetür auf und Sona verneigte sich auf der Schwelle. Sie war eine hübsche Frau mit sanften Augen. Ihre straffe Haut schimmerte golden. Ein blauweißes Tuch war um ihr Haar geschlungen. Als ich ihr das Baby reichte, warf sie mir einen fragenden Blick zu. Ich nickte. Da nahm sie es lächelnd in die Arme, öffnete ihr Gewand und gab ihm die Brust. Es dauerte lange, bis das ermattete Kind zu saugen anfing. Ich hatte das Schlimmste befürchtet und atmete erleichtert auf. Sobald das Neugeborene wieder etwas zu Kräften gekommen war, würde ich es baden und von der Priesterin Etsu, die in der Heilkunst erfahren war, untersuchen lassen. Die Zofen starrten es an und wisperten hinter vorgehaltener Hand, doch sie schlugen sofort die Augen nieder, als ich langsam und missbilligend von einem Gesicht zum anderen blickte.
    Â»Ich befehle strengstes Schweigen über das, was hier vor sich geht. Das Kind ist der Großen Erlauchten Göttin Amaterasu geweiht und darf unter keinen Umständen den Bezirk des Heiligtums verlassen. Sona wird es nähren. Und wenn ihr sonst noch …«
    Ich sprach nicht weiter. Stampfende Schritte, das Rasseln von Harnischen näherten sich im Gang. Waffen klirrten, die Tür wurde aufgerissen. Wie vom Blitz getroffen, sanken die Frauen in sich zusammen, den Kopf auf dem Boden.
    Der König, von seiner Leibgarde umgeben, stand auf der Schwelle.

23
    D ie Wachen nahmen vor der Tür Aufstellung, während Iri langsam in den Raum trat. Er trug seine eng anliegende Kriegsausrüstung aus polierter Bronze, mit funkelnden Goldplatten belegt. Das Hirschgeweih seines Helms beschattete sein wutverzerrtes Gesicht. Vom Mundwinkel bis zur Schläfe zog sich eine rote Strieme: Sie rührte von meinem Peitschenhieb her.
    Seine obsidianschwarzen Augen schweiften über die Zofen und blieben auf Sona haften, die den Säugling instinktiv unter ihrem Überwurf zu verbergen suchte. Iris Atem beschleunigte sich. Die Erregung raubte ihm jede Beherrschung. Er kläffte und knurrte seine Worte in den gutturalen Lauten der Tungusen.
    Â»Gib das Kind her! Ich will es auf mein Banner spießen und als Wahrzeichen

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