Im Zeichen der blauen Flamme
mich nieder. Ich warf mich auf die Matte und weinte vor Entsetzen und Verzweiflung. Du wirst dein Schwert brauchen, dachte ich. Und ich werde nicht da sein, um es dir zu reichen â¦
24
E r kniff die Augen gegen das aufgehende Sonnenlicht zusammen. Zwischen den Tannen schimmerte dunkles Wasser. Die überhängenden Felsen lagen noch im Schatten, während sich die Berghänge kupfern färbten. In groÃer Höhe schwebte ein Adler am smaragdblauen Himmel. Susanoo runzelte die Brauen. Er wusste, dass die Tungusen einen Adler benutzten, um den Feind aufzuspüren. Der Adler stand in der Luft fast still; das bedeutete, dass er unter sich Menschen erspähte.
»Tisina«, sagte er, »wohin führt diese Schlucht?«
Die Frau, die leichtfüÃig neben dem Pferd herlief, antwortete: »Im Süden verlässt der Fluss die Schlucht und ergieÃt sich in ein Tal, das wir âºDas Tal der Kranicheâ¹ nennen.«
Susanoo schnitt eine Grimasse. »Mir scheint, dass Seine Allerhöchste Majestät alles versucht, um uns einzukreisen. Gibt es keinen anderen Weg, der zum Kunne-Iomante führt?«
»Den über die Felsen. Aber deine Pferde werden uns dort nicht folgen können.«
Eine Anzahl Flüche und Verwünschungen kamen über Susanoos Lippen. Auf die Pferde wollte und konnte er nicht verzichten. Er hatte jetzt nur noch eine berittene Truppeneinheit von zweihundert Mann zur Verfügung und dazu einen Teil des FuÃvolkes. Die vier Kotan stellten gemeinsam etwa fünftausend Mann. Aber die Häuptlinge besaÃen keine Macht über ihre Krieger. Die Männer folgten ihnen freiwillig oder überhaupt nicht. Und wenn es einem einfiel, auf eigene Faust einen Angriff zu wagen, dann hinderte ihn niemand. Iri jedoch war kein Draufgänger, sondern ein eiskalter Stratege. Er weià genau, dass ich versuchen werde, den Durchgang zu erzwingen dachte Susanoo. Jetzt, wo es feststand, dass Kubichi sich in seiner Gewalt befand, wurden die Ainu von Kampflust gepackt, und ein Zusammenprallen der beiden Armeen war unvermeidlich.
Weit hinten im Gebüsch ertönte Fuchsgebell. Einen Augenblick später bellte wieder einer - diesmal etwas näher.
Tinemba, der Häuptling des Dachs-Kotan, wandte Susanoo sein narbiges Gesicht zu. »Ein Hirschenmensch nähert sich«, sagte er, denn in der Sprache der Ainu gab es kein Wort für »Reiter«. Susanoo zweifelte nicht daran, dass es stimmte. Es würde ihm immer ein Rätsel bleiben, wie eigentlich das Signalsystem dieser Waldbewohner funktionierte. Tatsächlich vernahm er jetzt ein dumpfes, vibrierendes Pochen.
Der Reiter brach aus dem Dickicht hervor. Blitzschnell legte Tinemba einen Pfeil an seine Bogensehne, doch im selben Augenblick erkannte Susanoo das zerfetzte Banner, das über dem Kopf des Reiters flatterte. Rasch hob er die Hand; Tinemba lieà den Bogen sinken. Der Reiter jagte im Galopp über die Lichtung. Vor dem König zügelte er sein schweiÃnasses Tier, sodass die lockere Erde unter den Hufen aufstob, und sprang aus dem Sattel. Atemlos warf er sich vor Susanoo zu Boden. Es war ein junger Mann, in der Uniform der königlichen Leibgarde. Schweià und Staub bildeten eine Kruste auf seinem von Anstrengung gezeichneten Gesicht. »Majestät...«, keuchte er.»Ich bringe Euch eine Botschaft Ihrer Majestät Toyo-Hirume-no-Mikoto. Eure Einheit geriet beim Kunne-Iomante in eine Falle. Alle Krieger wurden niedergemetzelt. Die Fürstin von Izumo â¦Â«
Niemand sah, woher der Pfeil kam, von dem er getroffen wurde. Sein röchelnder Aufschrei ging im allgemeinen Kreischen und Brüllen der Ainu unter, die auseinanderstoben und im Unterholz Deckung suchten. Die Pferde wieherten, bäumten sich auf, während ein Hagel von Pfeilen über die Lichtung schwirrte. Ungeachtet der Gefahr war Susanoo zu Boden gesprungen. Er stürzte zu der Stelle, wo der junge Meldereiter lag und am Pfeilschaft zerrte. Blut quoll ihm aus Mund und Nase. Susanoo packte das gefiederte Ende des Pfeiles mit einer Hand, legte die andere unter den Rücken des Verwundeten und zog mit aller Kraft. Der Pfeil kam heil heraus, doch jetzt floss das Blut stark, und der Junge drohte zu ersticken.
Susanoo hielt ihn in den Armen. »Die Königin? Was ist mit der Königin geschehen?«
Er sah, wie die Lippen des Sterbenden sich bewegten, ohne einen Ton hervorzubringen. Plötzlich verschleierte sich sein
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