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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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würde auch dieses Kind nähren. Doch die Zeit drängte, wenn es am Leben bleiben sollte …
    Die Staubwolke kam näher. Aus dem unbestimmten Vibrieren wurde ein Hämmern, ein pochendes Dröhnen. Andere Geräusche mischten sich darunter: Befehle, Waffenklirren, Wiehern. Und plötzlich wimmelte die Ebene von Nüstern, Mähnen und Kruppen, von Helmen und Harnischen, von blitzenden Speeren und wehenden Bannern. Die Reiter näherten sich in ruhiger, disziplinierter Formation, dahinter folgte das Fußvolk. Ihre Kleidung war ein buntes Durcheinander aus Fetzen, Fellen und Rüstungsteilen. Ihre Waffen jedoch gehörten zu den besten, die es für ihren Stand gab.
    Yeasu rief einen Befehl. Die Leibgarde bildete um mich einen schützenden Ring. Er selbst ritt im Gleichschritt neben mir her. Ein unfrohes Lächeln zog seine Lippen hoch. »Seine Allerhöchste Majestät scheint den richtigen Zeitpunkt für einen Überfall auf die Ainu gewählt zu haben.«
    Die Vorhut näherte sich, in Staubwolken gehüllt. Dann kamen die Gefechtskommandanten. Ihre Banner trugen die Abbildungen der fünf heiligen Tiere: Adler, Drache, Phönix, Schildkröte und Tiger. Die königliche Standarte fehlte - ein Zeichen, dass der Herrscher das Heer nicht selbst anführte. Ich fragte mich nicht weiter, warum: Ich glaubte, die Antwort zu kennen.
    Es war sein Vetter Yi-Am, der an der Spitze des Zuges ritt. Unter dem stählernen Brustharnisch trug er ein goldbraunes Wams mit Flügelärmeln. Er hatte seinen Gürtel aus Leder und Goldplatten umgeschnallt, an dem an kleinen Ketten das Sattelzubehör der Tungusen befestigt war: ein Messer, ein Spiegel, ein Wetzstein und ein Feuerstein.
    Er brachte seinen Rappen dicht vor mir zum Stehen, verneigte sich im Sattel mit herablassender Höflichkeit. »Seine Allerhöchste Majestät hat in der Nacht beschlossen, nach dem Vorbild seiner Ahnen seine Feinde zu vernichten. Der größte Teil des Reiterheeres wird zum Ikoma vorstoßen. Zwei weitere Regimenter stehen an der Grenze von Izumo bereit und tausend Mann bewachen die Bergpässe. In Richtung Süden ist ein eventueller Rückzug unserer Truppen ebenfalls gesichert.«
    Ich schwieg, schaute ihm gerade in die Augen. Jetzt lächelte er. Seine Zähne waren spitz, regelmäßig und wie von blutgierigem Glanz.
    Â»Diese überwältigende Streitmacht stellt eine Herausforderung an den Herrscher von Izumo dar, die ihm keine andere Wahl lässt, als zu kämpfen. Alle Vorbereitungen sind getroffen, um endlich dem Heer und dem Volk zu beweisen, dass er nicht allwissend, nicht unbesiegbar, nicht unsterblich ist.«
    Shiro-Uma scharrte mit den Hufen, schüttelte ungehalten den Kopf. Die Glöckchen klingelten. Und weiter berichtete Yi-Am, schonungslos lächelnd: Ibara sei bei Tagesanbruch mit seinem Stoßtrupp in Tatsuda eingetroffen. Seine Allerhöchste Majestät habe ihn sofort in Ketten legen lassen und ihn dem Henker überantwortet. Seinen Männern sei die Todesstrafe erlassen worden, doch der König habe befohlen, dass man ihnen die Waffen abnehme und sie als Sklaven in die Salzminen schicke. Ich blieb weiterhin stumm. Da heftete sich Yi-Ams Blick auf das wimmernde Bündel, das ich in meiner Schärpe trug. Sein Lächeln gefror. Er öffnete den Mund, doch ich kam ihm zuvor.
    Â»Ich warte«, sagte ich eisig, »dass mir der Weg freigegeben wird.«
    Yi-Am schoss die Röte ins Gesicht. Seine Augen wanderten über das anrückende Heer. Die Vorhut hatte angehalten, auch die dicht dahinter Reitenden. Doch das Gros des Heeres zog weiter - eine unüberblickbare Folge von Pferderücken und Menschenköpfen, geballt, verschmolzen wie eine funkelnde Welle, die zum Meer wurde, bis an den Horizont flutete und die Erde zu bedecken schien.
    Ich aber sprach, langsam und unerbittlich jedes Wort betonend: »Es bleibt Euch jetzt nur noch ein Augenblick - ein kurzer -, um mir den Weg freizugeben!«
    Auf Yi-Ams hochmütigem Gesicht glänzte der Schweiß. Seine Faust ballte sich um den Schwertgriff, dass die Knöchel weiß wurden. Er riss sein Pferd herum und brüllte einen Befehl, den die Offiziere wiederholten. Von Mund zu Mund ging der Schrei und eine Gasse öffnete sich zwischen den geharnischten Streitrössern. Ich drückte Shiro-Uma die Fersen in die Flanken. Hinter mir setzte sich die Leibgarde in Bewegung. Wie eine Statue

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