Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
an Bord des Schiffes gegangen, um bei eurem Sohn zu sein. Das Schiff ist nach Leukos unterwegs.“
Rhia begann zu zittern, und Alanka wich instinktiv ein Stück zurück.
„Nein!“ Rhia trat auf Bolan zu. „Wie konnten sie die anderen retten und Nilik nicht? Was ist schiefgegangen? Was ist passiert?“
„Ich … ich bin mir nicht sicher“, antwortete er. „Irgendetwas über die Körbe der Kinder, die vertauscht wurden.“
„Ich finde es selbst heraus, sobald ich in Velekos bin.“ Entschlossen drehte sie sich zu den anderen um. „Im Morgengrauen brechen wir auf.“
22. KAPITEL
S pät am nächsten Morgen kniete Rhia neben Damen auf braunen Teppichen in der winzigen Kabine von Kolis Segelboot. Alanka saß mit verschränkten Beinen auf einer der zwei Kojen und hielt eine Trommel zwischen den Knien.
Es war Zeit, mit den Toten zu sprechen.
„Beim ersten Mal kann Thanapras sich seltsam anfühlen“, erklärte Damen, und Rhia spürte, dass das eine von seinen typischen Untertreibungen war. „Wenn es sich so anfühlt, als würdest du davonschweben, konzentrier dich auf die Trommel und denk daran, dass ihr Schlag aus unserer Welt kommt, aus der Welt, in die du gehörst.“
Rhia wurde schwindelig bei dem Gedanken, mit den Toten zu sprechen, aber es konnte auch an den Bewegungen des Bootes liegen, das sanft auf den Wellen tanzte.
Damen zündete das Bündel Thanapras an und warf es in die Lehmschale, die auf dem Boden zwischen den Teppichen stand. Rhia legte sich auf ihren Teppich und schloss die Augen. Noch bevor er den Gesang begann, konnte sie spüren, wie kontrollierte Macht von ihm ausging.
Seine tiefe Stimme brachte die Luft zum Vibrieren und schien ihr die Haut zu streicheln. Das Kraut hatte ihren Verstand bereits benebelt, bis das Wirkliche und das Unwirkliche miteinander verschwommen waren. Krähes Anwesenheit schien näher, aber nicht erreichbar.
Damen beendete seinen Gesang. Rhia spürte, wie die Luft über sie strich, als er sich neben sie hinlegte. Alanka begann zu trommeln. Rhias Muskeln und ihr Bewusstsein entspannten sich, als sie sich nur noch auf den schnellen, gleichmäßigen Rhythmus konzentrierte.
Das Thanapras erfüllte ihre Sinne und strömte einen intensiven Duft aus, der sie hinüber in ein anderes Reich trug.
Sie glitt in einen Nebel hinein.
Erst wurde der Nebel immer dichter, doch dann lichtete er sich, bis ein trockenes totes Tal sichtbar wurde. Ein einzigerkahler Baum streckte seine schwarzen Äste wie Arme zu allen Seiten von sich. Eine unsichtbare Sonne goss ihr stumpfes oranges Licht über die Steine, die selbst keine Farbe zu haben schienen. Damen stand neben ihr.
Wo sind sie? , fragte sie ihn in Gedanken. Sie würden sich telepathisch unterhalten, damit Alanka nicht mithörte.
Ruf einen von ihnen beim Namen und bitte ihn, zu sprechen.
Sie beschloss, mit dem Führer des kalindonischen Rates zu beginnen statt mit Skaris. Zilus! , rief sie in Gedanken.
Zilus tauchte auf. Er saß auf einem Stein, der etwa halb so hoch war wie sie selbst und etwa zwanzig Schritte entfernt stand. Gelbgraue Locken fielen ihm über die Schultern.
In seinen Händen hielt er eine sich windende Schlange. Rhia wich zurück.
Wo bist du gewesen? , fragte er sie. Wir konnten dich früher immer spüren.
Sie riss den Blick von der Schlange los und fand den Atem, zu sprechen. Am Anfang meiner Schwangerschaft konnte ich euch nicht ausschließen. Später ist es einfacher geworden, besonders nachdem … Sie wollte Niliks Namen an diesem Ort nicht aussprechen. Nachdem mein Sohn geboren wurde. Ich wollte euch nicht beleidigen, indem ich euch nicht beachtet habe.
Das hast du nicht. Er stand auf und trat auf sie zu. Dabei drückte er die Schlange dort zusammen, wo ihr Kopf endete. Sie machte Verrenkungen, als hätte sie Schmerzen zu leiden. Ich würde auch nicht von mir hören wollen.
Du bist aus eigener Entscheidung an diesem Ort , sagte Rhia so sanft, wie ihr Entsetzen es zuließ. Verstehst du das?
Ja. Er bewegte die Hände, bis er die Schlange an ihrer Schwanzspitze eine Armeslänge von sich entfernt hielt. Sie wand und drehte sich und züngelte aufgeregt. Ich mag es hier.
Wen hast du da? , fragte sie. Ist das der Mann, der dich umgebracht hat? Ist das sein Geist?
Gefällt sie dir? Sie gehört mir, aber ich teile sie mit dir, wenn du bei uns bleibst. Er ließ die Schlange in den Staub fallen. Ehe sie davonschlängeln konnte, trat er ihr auf den Hals. IhrSchwanz peitschte durch die Luft, und ihr
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