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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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250 Ärzten und Schwestern des Schweizerischen Roten Kreuzes, die an der Ostfront zum Einsatz kommen, wird strikt untersagt, sich um die russischen Gefangenen zu kümmern.
    Aus dem gleichen Grund stehen die drei Millionen deutschen Internierten in Russland nicht unter dem Schutz der Konvention. Was ein Drittel von ihnen mit dem Leben bezahlen wird und die Übrigen mit bis zu zwölf Jahren grausamer Gefangenschaft. Gegenüber den Westalliierten besitzen die Genfer und Haager Abkommen dagegen prinzipiell Geltung. Wenn sie auch von beiden Seiten längst nicht immer eingehalten werden, gewähren sie den Gefangenen doch ein Mindestmaß an Sicherheit. Um die Unruhe in der Bevölkerung zu dämpfen, gibt das DRK ab März 1944 Mitteilungen für die Angehörigen deutscher Kriegsgefangener heraus. Ernst Robert Grawitz schreibt ein markiges Grußwort dazu: »Unsere Kameraden werden nach dem Sieg, der diesen Kampf krönen wird, freudigen Herzens heimkehren.« Die Beschreibungen der amerikanischen Lager lesen sich wie aus einem Prospekt für Sommerfrischler. Oklahoma erinnert an die Oberpfalz, Ohio an die Märkische Heide. Kansas wartet mit einer fruchtbaren Hochebene auf, Texas mit fruchtbarem Flachland. Louisiana zeichnet sich durch ein günstiges, Colorado gar durch ein ausgezeichnetes Klima aus. »Wünschen nach Schwarzbrot oder mehr Gemüse wird nach Möglichkeit entsprochen.« Und ein Formblatt für Ferntrauungen steht auch zur Verfügung. Überhaupt nicht schlimm, so eine kleine Kriegsgefangenschaft. Zumal ja der Führer über das Rote Kreuz jedes Jahr Weihnachtspäckchen sendet, bestückt mit Lebkuchen, Tomatenmark, Zahnpasta, Spielkarten und Mundharmonikas. Ein bescheidener, praktisch denkender Mann, der auch die Schmuckkarte nicht vergisst. Seine Soldaten in Camp Brady revanchieren sich mit Geburtstagsgrüßen via Genf, »beseelt von dem Wunsche, daß Sie der Heimat noch lange erhalten bleiben mögen«. Woraufhin der Empfänger seinerseits das Rote Kreuz bittet, seinen Dank zu übermitteln.
    In der Kriegsgefangenenfürsorge arbeitet damals auch Elisabeth von Thadden, eine der wenigen aus den Reihen des Widerstands, die in näherer Verbindung zum Roten Kreuz stehen. Als Sozialpädagogin ist sie durch die Schule Alice Salomons geprägt. Während des Krieges arbeitet sie über zwei Jahre hinweg in untergeordneter Funktion im DRK -Präsidium, bevor sie als Helferin einem Soldatenheim in Frankreich zugeteilt wird. 1944 wird sie verhaftet und ihrer regimekritischen Haltung wegen hingerichtet. In den Annalen des Roten Kreuzes taucht sie nicht auf. Hat sie doch wenig schmeichelhafte Interna berichtet: Die Poststelle des Präsidiums habe ganze Stapel von Kriegsgefangenenbriefen aus Stalingrad der Gestapo übergeben. Mit allen Mitteln versucht das Regime zu verhindern, dass die Bevölkerung die Wahrheit erfährt.

Kurz nach dem Überfall auf die Sowjetunion sind diese russischen Soldaten im Juli 1941 in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten.
    © H. Hahn / DRK
    Charlotte Piehler führt zu dieser Zeit ein solches Soldatenheim an der normannischen Küste östlich von Cherbourg. Einen kleinen, abgelegenen Stützpunkt am Atlantikwall, für den allein in Frankreich fast 300000 Mann eingesetzt und Tausende von Bunkern, Barrikaden und Geschützständen errichtet werden. Die gebürtige Dresdenerin hat als Hilfsschwester bereits am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Nun stellt sie sich dem Roten Kreuz erneut zur Verfügung, erfüllt »von den hohen Idealen dieser vielseitigen überstaatlichen Organisation«. An der sie gerade die »Mitarbeit auf überparteilicher Grundlage« schätzt. Freilich sei das ehrenamtliche Engagement spätestens mit dem Führungswechsel und dem Rotkreuzgesetz von 1937 zum »freiwilligen Zwang« mutiert und das Rote Kreuz so zum »angegliederten Verband der NSDAP «. Auch wenn sie sich also durchaus freimütig äußert – die Besetzung Frankreichs stellt sie zu keiner Zeit infrage. Sie will auch nicht wissen, was aus dem Arzt geworden ist, dessen beschlagnahmte Villa nun als Soldatenheim dient. Täglich bewirtet sie dort bis zu hundert Gäste aller Truppengattungen: Infanterie, Pioniere, Luftnachrichten, Flak, Artillerie, Marine, Sanitätspersonal, Kraftfahrer, dazu Bautrupps und Arbeitsdienst. Neben dem Restaurant und dem palmenbestandenen Garten stehen ihnen auch ein Lese- und ein Spielezimmer zur Verfügung. Im Allgemeinen benehmen die Männer sich gesittet. »Trotzdem ließ es sich nicht vermeiden, in einzelnen

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