Im Zeichen der Sechs
gemacht –«
» Wir?«
Mrs. Saint-John lächelte zuversichtlich in die Runde der übrigen Gäste. »Damit meine ich meine Gefährtin, vor allem, und mich selbst in sehr viel begrenzterem Maße.«
»Gefährtin.«
Ach du liebe Zeit – hoffentlich nicht einer dieser unsichtbaren Geistführer, die gewissen leicht hysterischen Damen mittleren Alters hinterdreintrotten wie Pekinesen. Ohne Zweifel eine Verrückte, dachte Doyle.
»Leider fühlt Sophie sich nicht wohl und konnte deshalb heute abend nicht mit uns essen«, sagte Mrs. Saint-John. »Sie hat soeben eine anstrengende Vortragsreise durch Deutschland absolviert, und jetzt reisen wir weiter nach Amerika, ohne daheim Station zu machen.«
»Das hört sich an, als seien Sie und Ihre Freundin sehr gesucht«, bemerkte Doyle, erleichtert darüber, daß ihre ›Freundin‹ zumindest zur Zeit in einem menschlichen Körper residierte.
»Ja. Wir wurden vor drei Jahren miteinander bekannt gemacht, nicht lange nach dem Tode meines Mannes. Ich trauerte, was ganz natürlich ist. Ja, eigentlich war ich untröstlich, denn damals empfand ich ganz so, wie Sie anscheinend heute, Mr. Conan Doyle: Ich glaubte, daß mein liebster Benjamin einfach fort sei. Da aber, in meiner Verzweiflung, bestand eine enge Freundin darauf, ich müsse Sophie kennenlernen. Sophie Hills.«
» Die Sophie Hills?«
»Ah, Sie kennen sie also?«
Sophie Hills war zur Zeit das berühmteste, vielleicht berüchtigtste Medium in England. Die Frau behauptete, sie werde von einer ungeheuren Schar körperloser Geister begleitet, die allesamt mit einer direkten Verbindung zur zentralen Schalttafel des Jenseits ausgestattet seien und auf Ersuchen Mal für Mal zutreffende und verifizierbare Informationen über verstorbene Verwandte, verlorene Briefe, verschwundene Verlobungsringe und mysteriöse Krankheiten ausgespuckt hatten.
In einem sensationellen Fall hatten sie sogar im Zusammenhang mit einem seit zehn Jahren unaufgeklärten Verbrechen in Heresfordshire eine Enthüllung geliefert, die zu einem Mordgeständnis geführt hatte. Gelegentlich demonstrierte Sophie auch das eigentümliche Talent eines Apport-mediums, die Fähigkeit nämlich, aus dem Nichts eine wunderliche Vielfalt von dreidimensionalen Objekten erscheinen zu lassen: afrikanische Vogelnester, antike römische Münzen und exotische – noch zappelnde – Fische.
Ihre verblüffenden Begabungen waren erschöpfenden wissenschaftlichen Tests unterzogen worden, und bis zu diesem Tag hatte sich kein einziger vernünftiger Zweifel an ihrer Authentizität bestätigen lassen. In einem solchen Fall hatte Miß Hills, in eine Zwangsjacke gesteckt und mit einem Jutesack über dem Kopf, vor glaubwürdigen Zeugen einen ihrer Geister veranlaßt, auf einem Akkordeon, das am anderen Ende des Zimmers unter einem Weidenkorb versteckt war, das Lied ›Truthahn im Stroh‹ zu spielen.
O ja, Doyle kannte Miß Hills, und er war nicht nur beiläufig an einer Gelegenheit interessiert, das alte Mädchen einmal in Aktion zu sehen.
»Ich habe Mrs. Saint-John den Vorschlag gemacht«, sagte Kapitän Hoffner, »daß wir an irgendeinem Abend während unserer Überfahrt versuchen, Miß Hills zu einer Demonstration ihrer Fähigkeiten zu bewegen.«
»Und dabei den gemarterten Geist, der das gute Schiff Elbe heimsucht, zur Ruhe zu bringen«, ergänzte Mrs. Saint-John. »Als ich erfahren hatte, daß Sie mit uns reisen würden, schlug ich gleich vor, Sie um Ihre Beteiligung zu ersuchen, Mr. Conan Doyle. Und sollten Sie einer solchen Demonstration die hinreichende wissenschaftliche Strenge beimessen, dann könnte die Macht Ihres Rufes beträchtlich dazu beitragen, die allgemeine Öffentlichkeit von der Reinheit der Kräfte Sophies zu überzeugen.«
»Dann vielleicht morgen abend«, sagte der Kapitän. »Ich würde vorschlagen, wir tun es nach dem Abendessen?«
»Ich wäre entzückt, Kapitän«, sagte Doyle.
Wenn es jetzt nur eine Möglichkeit gab, zu verhindern, daß Ira Pinkus von der Sache erfuhr. Er sah die Schlagzeile schon vor sich, die ihn in New York erwartete:
HOLMES-ERFINDER JAGT KLABAUTERMANN.
CHICAGO, ILLINOIS
Sieh dich an, Jacob: Was machst du hier? Kann es noch einen Zweifel geben? Nein, ich glaube nicht: Im reifen Alter von achtundsechzig Jahren, wenn die meisten Männer in deinem Beruf Geist und Persönlichkeit zur Meisterschaft gebracht haben, hast du völlig den Verstand verloren. Du alter Narr – der beste Teil deines Lebens wollte eben beginnen;
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