Im Zeichen der Sechs
Pseudonymen einnahm, unter denen Pinkus bei sechs verschiedenen New Yorker Zeitungen seinem Gewerbe nachging. Pinkus/Pingle gab flüchtig seiner Enttäuschung darüber Ausdruck, daß Innes’ berühmter Bruder sich nicht zu ihnen gesellen würde, aber schließlich fängt ein Wurm nicht beim Kerngehäuse an, wenn er sich in einen Apfel hineinfrißt.
Erbost über Arthurs Snobismus verspürte Innes hernach keinerlei Gewissensbisse wegen des umfassenden Menüs von Conan-Doyle-Anekdoten, die er im Laufe des Essens mit Pingle ausplauderte – warum auch? Es war ja nicht, als ob der Mann ihn offen ausfragte, und Innes’ eigene Eskapaden bei den Royal Fusiliers schienen ihn genausosehr zu faszinieren wie alles, was mit Leben und Taten des großen Autors zu tun hatte. Und Pingle selbst erwies sich als überaus unterhaltsam, was das Thema New York anging, vor allem seine intimen und anscheinend unerschöpflichen Informationen über die Showgirls vom Broadway.
Aber was denn, nein, es wäre überhaupt kein Problem, ihn mal mit ein paar von den Girls bekannt zu machen, versicherte Pingle ihm. Hey, ich hab’ ’ne Idee: Wieso ziehen wir beide nicht mal mit ’ner ganzen Meute von denen um die Häuser? Oder, noch besser: Wir schmeißen ’ne Party und lassen sie zu uns kommen! Nehmen Sie noch einen Schluck Wein, Innes!
Vorzüglicher Bursche, dieser Pingle.
Doyle war sich darüber im klaren, daß von ihm erwartet wurde, er werde jeden Abend dieser Reise mit Kapitän Hoffner dinieren – einer steinernen Säule von Mann, einzigartig in seiner ausschließlichen Beschäftigung mit maritimen Statistiken, Schiffsetikette und Gezeitentabellen; das alles von keiner Spur Humor getrübt –, und so spulte Doyle die Fragen, die er sich über die Elbe ausgedacht hatte, in gemessenem Tempo ab und hoffte dabei, daß ihm die Antworten des Kapitäns genügend Zeit einbringen würden,
um derweilen weitere Flächen zu roden und für die Konversation fruchtbar zu machen. Hoffners Antworten jedoch hatten keinen Wind in den Segeln; knapp, präzise, stromlinienförmig und so fesselnd wie ein Maschinenhandbuch, vorgelesen von einem Papagei. Dieser Mann hatte einen so großen Teil seines Lebens auf See verbracht, daß es ihm nicht gelungen war, sich zu irgendeinem nicht seetauglichen Thema eine Meinung zu bilden, und anscheinend hatte er noch nie einen Roman auch nur aufgeklappt. Ganz bestimmt jedenfalls keinen von Doyle.
Die anderen Gäste an der Tafel waren auch keine große Hilfe: eine Gesellschaft von Brauerei-Abteilungsleitern aus Bayern mit ihren wohlgepflegten Gattinnen auf dem Weg zu einer Vergnügungsreise durch die Brauereien des amerikanischen Mittelwestens. Sie alle verfügten über ein Englisch von bescheidener Brauchbarkeit, das sie aber überwiegend lieber nicht zur Ausübung brachten; statt dessen hingen sie fast während der gesamten Mahlzeit an Doyles Lippen, als berge jede seiner Äußerungen eine geheime religiöse Bedeutung in sich: Sherlock Holmes war Big Business in Deutschland.
Das »Berühmter Autor« -Syndrom lieferte Doyle zumeist genügend Inspiration, um ihn in den Sattel irgendeines hochtrabenden Steckenpferdes zu hieven; aber jedesmal, wenn er sich an diesem Abend anschicken wollte, einen wirklich erstklassigen Kathedervortrag vom Stapel zu lassen, warf ihn der Anblick von Innes, wie dieser und Pinkus/Pingle am anderen Ende des Saales die Köpfe zusammensteckten, wieder vom hohen Roß. Ein Gefühl von Windstille, ja, Flaute erfaßte ihn, das der Gletscherruhe Kapitän Hoffners glich. Die Pausen zwischen den einzelnen Äußerungen wurden länger und grimmiger, und das Kreischen von Besteck auf Porzellan wurde ohrenbetäubend.
»Ich entsinne mich, irgendwo gelesen zu haben, daß Sie ein ausgeprägtes Interesse am Okkultismus haben, Mr. Doyle«, sagte die einzige Engländerin am Tisch, die bis zu diesem Augenblick wachsames Schweigen gewahrt hatte.
Das habe er in der Tat, antwortete Doyle. Ein Interesse allerdings, fügte er eilig hinzu, das durch eine natürliche und gesunde Skepsis gemäßigt sei.
Die düsteren Mienen am Tisch erwachten zu neuem Leben. Geschlossen bestürmten die Bürgerfrauen Kapitän Hoffner mit hartem deutschem Geschnatter und bemühten sich, ihn zu irgendeiner dunklen Unternehmung zu bewegen, die etwas mit Doyle zu tun haben mußte. Hoffner hielt der kurzen, einseitigen Attacke stand, ehe er sich mit tiefempfundenem Bedauern im Blick Doyle zuwandte.
»Ich habe gestern abend bei Tisch,
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