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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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schwarzgekleideten Mann hinunter.
    »Ist er das?« fragte Innes; er fühlte sich matt und redselig zugleich. »Ist das der, der entkommen ist? Da draußen, meine ich? Du weißt doch, der, den sie gesehen haben.«
    »Er genügt jedenfalls. Es ist nicht allzu schlimm, oder, alter Junge?«
    »Nein, nicht allzu schlimm«, sagte Innes und betastete behutsam seinen verletzten Arm. »Glatter Durchschuß, glaube ich.«
    Doyle trat die Wand des Schuppens ein, um zu seinem Bruder zu kommen, und legte ihm einen Notverband aus einem Streifen von seinem Hemd an, um die Blutung zu stoppen.
    »Schon praktisch, wenn man seinen eigenen Arzt dabei hat«, sagte Innes und sah interessiert zu, wie er arbeitete. »Eigentlich müßte ich mich jetzt für einen Orden qualifiziert haben. Zumindest für eine Einsatzmedaille.«
    »Das Victoria-Kreuz, wenn ich etwas zu sagen hätte. Von dem alten Mädchen persönlich überreicht.«
    »Kleine Brüder sind also doch zu etwas gut«, bemerkte Innes.
    Doyle beendete seine Arbeit an dem Verband und klopfte Innes auf die Schulter; er fürchtete, in Tränen auszubrechen, wenn er jetzt spräche. Als er Innes auf die Beine half, stürzten die beiden anderen Männer zu ihnen herein. Er sah, daß Lionel den Kasten mit dem Buch Sohar bei sich trug.
    »Wir müssen Jack suchen«, sagte Doyle. »Und dann sollten wir Sie, glaube ich, zu dieser Kirche schaffen.«
    Sie kehrten noch einmal zu den Pferden zurück, und Doyle nahm den Sanitätskoffer aus seinem Sattelgepäck. Bis an die Zähne bewaffnet, gingen die vier Männer in der Mitte der Main Street entlang. Die Gebäude auf der linken Seite waren bereits eingestürzt; der Kern der Feuersbrunst hatte die Südhälfte der Stadt verwüstet. Rotglühende Funken und Asche wehten zu ihnen herüber. Der Wind drehte sich nach Norden; Doyle schätzte, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis die Nordhälfte der Stadt ebenfalls in Brand geriet.
    Als sie sich dem größten Gebäude auf der rechten Seite näherten, einer soliden Lehmziegel-Hacienda, rief Jack zu ihnen herüber und winkte sie in eine schützende Gasse.
    »Hier ist jemand für Sie, Doyle«, sagte Jack.
    Eileen trat aus dem Schatten.
    Doyle starrte sie an, vom Donner gerührt bis ins Mark. Tausend Bilder aus der Vergangenheit wurden wach, als er ihre Stimme hörte, und ein Dutzend machtvolle Emotionen prallten im Galopp gegeneinander.
    »Hallo«, sagte sie.
    Sie sah betreten aus, erleichtert, verlegen, beschämt, ängstlich, glücklich – mit anderen Worten, es war jenes heftig oszillierende Spektrum von Gefühlen, das sie schon während ihrer kurzen und unvergeßlichen Liebesaffäre hatte vermitteln können.
    »Eine Bekannte?« fragte Innes mit jenem intuitiven Unterton, den nur ein Bruder zustande bringen konnte.
    Doyle nickte knapp und winkte ab; er konnte nicht sprechen.
    »Du hast meinen Brief bekommen, nehme ich an«, sagte sie, als sie allein waren. Den Brief, in dem sie ihm Lebewohl gesagt hatte, als sie England zehn Jahre zuvor verlassen hatte. Den Brief, der sein junges Herz entzweigebrochen hatte.
    »Ja.« Mehr brachte er nicht hervor.
    »Wie ist es dir ergangen?« fragte sie, und bevor er antworten konnte, fuhr sie fort: »Was für eine dumme Frage. Ich weiß genau, wie es dir ergangen ist: Du bist berühmt, mein Gott, wahrscheinlich sagenhaft reich, und verheiratet …«
    »Ja.«
    »… ich entsinne mich, daß ich es irgendwo gelesen habe: eine reizende Frau und drei prächtige Kinder. Und wie ist es mir ergangen? Nun, sieh mich an.«
    »Du siehst … schön aus.«
    Sie lächelte wehmütig und riß sich die Pappkrone vom Kopf. »Schrecklich nett von dir, das zu sagen, Arthur.«
    »Im Ernst.«
    »Wenn ich bei dir geblieben wäre, hätte ich inzwischen wahrscheinlich eine echte. Ich habe wirklich ein Talent, wenn es darum geht, auf den Sieger zu setzen, nicht wahr – nein, es ist schon in Ordnung, es war ein gutes Leben. Ich bin nur gerade nicht ganz auf der Höhe …«
    Und sie brach in Tränen aus. Doyle legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter und ließ sich kurz von ihr umarmen, bevor er sich zusammenriß. »Gib mir einen Augenblick Zeit, ja, meine Liebe?«
    Sie entfernte sich ein Stück weit, ohne ihm in die Augen zu sehen.
    Tausend Dinge, die er ihr so gern hätte sagen wollen. Lauter Erfahrungen, die sie nicht gemeinsam gemacht hatten. Er wollte sie immer noch, das wußte er. Und es war nicht möglich, nicht hier, nicht jetzt. Und wenn er das Leben, für das er so hart gearbeitet

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