Im Zeichen des Adlers
Großartige Familie .«
»Verdammt, warum mußtest du mir wieder über den Weg laufen? Führe dein eigenes Leben, und tu es so, wie es dir gefällt. Aber laß mich in Ruhe!« Romain de Lamazes Stimme wurde mit jedem Wort lauter, und das unterschwellige Knurren darin verriet, daß auch sein Zorn sich kaum mehr im Zaume halten ließ.
»Ich wollte nur wissen, ob ich dir noch etwas bedeute«, erklärte Philemon. »Ob du bereit bist, dich um meinetwillen zu ändern. Du bist es nicht.«
»Und?« gab sein Vater zurück. »Was jetzt?«
Philemon streckte den Arm zur Seite aus, hielt die Handfläche nach oben.
»Mimiche«, sagte er nur.
Der Reporter verstand - und warf Philemon den Revolver zu. Wenn auch ungern; er riskierte einen Blick nach oben, wo noch immer der Adler seine Kreise zog, in geradezu unheimlicher Lautlosigkeit.
De Lamaze junior richtete die Waffe auf seinen Vater.
»Was soll das werden?« fragte Romain. »Du willst mich erschießen? Was bist du doch für eine mißratene Kreatur!«
»Du hattest die Wahl«, erinnerte Philemon - und drückte ab.
*
Baptiste Chenier fühlte sich wie ein König! Mochte sein Reich auch schäbig sein, verkommen und voller Unrat, und seine Untertanen nur Kreaturen, die nirgendwo sonst eine Bleibe mehr fanden - er fühlte sich großartig in dieser neuen Rolle.
Wenn ihm derjenige, der ihn zum König ernannt hatte, nur nicht verboten hätte, diesen neuartigen Durst zu stillen, der ihn immer stärker überkam .
Ob er es wagen konnte, sich über das Verbot hinwegzusetzen? Immerhin drohte kaum die Gefahr, daß jener andere sich blicken ließ. Weshalb sonst hätte er ihn, Baptiste, als Statthalter hier zurücklassen sollen, auf daß er ein Auge auf dieses Reich hatte und Meldung erstattete, wenn sich etwas Besonderes ereignete?
Baptiste Chenier nickte sich selbstzufrieden zu.
Freilich konnte er es wagen. Selbst wenn der andere davon erfuhr - was konnte er schon tun? Den Kopf würde er ihm nicht gleich abreißen. Und viel mehr gab es nicht, was ihm das Leben noch verderben konnte .
Baptiste schlich um die nächste Ecke, wo er den liebsten Platz der alten Martine wußte. Um die alte Vettel war's nicht schade, und vermissen würde sie schon gar niemand.
Doch hinter der nächsten Ecke wartete nicht Martine auf ihn.
Sondern - ein Knabe?
Zudem noch einer, der nicht hierher gehörte in seinem noblen Aufzug!
»Wer bist du, Bürschlein?« fragte Baptiste, soviel Feierlichkeit in seine Stimme legend, wie er irgend zusammenkratzen konnte.
»Wo ist der Kerl?« fragte der Jüngling, anstatt eine Antwort zu geben.
»Von wem redest du, frecher Hund? Weißt du nicht, wen du vor dir hast?« brauste Baptiste Chenier auf.
»Oh, doch«, erwiderte Gabriel, »eine verfluchte Kreatur!«
Eine unsichtbare Hand preßte sich um Baptistes Kehle.
»He da, was soll das?« gurgelte er. »Ich bin der König -!«
»Der König der Idioten vielleicht, mag durchaus sein«, meinte der Knabe. »Wo ist der Kerl, der dich zu dem gemacht hat? Rede endlich!«
»Ich kann's nicht sagen.«
»Na gut, dann anders«, sagte Gabriel.
Wie von Geisterhänden wurde Baptiste das Gesicht auf den Rücken gedreht. Etwas floh aus ihm, der schwache Hauch untoten Lebens, und wehte in die Nacht.
Und Gabriel folgte ihm nach.
*
Ein Schatten senkte sich rasend schnell auf Philemon nieder. Etwas bohrte sich ihm schmerzhaft in Hand und Arm. Die Kugel schlug gegen die Fahrstuhltür und sirrte als Querschläger davon. Der Adler hatte ihn angegriffen!
Warum nur -?
Viel drängender als diese Frage war jedoch etwas ganz anderes! Denn der Adler blieb nicht Tier, sondern verwandelte sich - in einen Mann mit langem schwarzen Haar, das ihm bis über die Schultern fiel.
Mann? durchfuhr es Philemon. Nein, verdammt, das ist - »- ein Vampir! Ich hatte recht.«
»Schlaues Bürschchen«, erwiderte Hidden Moon, seine Zähne bleckend.
Philemon rang um Fassung, während er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie sein Vater sich erhob; er hatte sich noch in dem Moment, da sein Sohn geschossen hatte, zu Boden fallen lassen.
»Wer bist du?« fragte Philemon. »Und was mischst du dich hier ein?«
Der Arapaho zuckte die Schultern. »Kam zufällig vorbei. Und mußte feststellen, daß dein Vater mir sympathischer ist als du -Weichling!«
»Halt dich da raus«, verlangte Philemon.
Hidden Moon schüttelte bedauernd den Kopf.
»Tut mir leid«, sagte er, »aber ich werde deinem Vater ein wenig unter die Arme greifen.«
»Spar dir die Mühe«,
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