Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Meinungsverschiedenheiten, aber das ist das erste Mal seit Monaten, dass die Angelegenheit nicht zu Fangs Zufriedenheit bereinigt wurde. Normalerweise werden diese Auseinandersetzungen sehr kollegial geführt, aber in diesem Fall geht es um ideologische Fragen. Solche Diskussionen können sehr heftig werden – zumindest in intellektueller Hinsicht.« Anscheinend waren die Politbüromitglieder zu alt, um viel mehr zu tun, als einem Gegner mit dem Rohrstock eins überzuziehen.
»Und worum geht es diesmal?«
»Minister Qian sagt, dem Land könnte bald das Geld ausgehen. Die anderen Minister bezeichnen das als Unsinn. Qian meint, wir müssen den westlichen Nationen entgegenkommen. Zhang und andere sagen, wir dürfen gerade nach dem, was sie – also speziell die Amerikaner – uns in letzter Zeit angetan haben, keine Schwäche zeigen.«
»Sehen sie denn nicht ein, dass es nicht in Ordnung war, den italienischen Geistlichen zu töten?«
»Sie betrachten es als einen bedauerlichen Zwischenfall, und außerdem hat der Mann gegen unsere Gesetze verstoßen.«
Meine Herren, dachte Nomuri, sie halten sich wirklich für Gottkönige. »Bao bei , da machen sie einen gewaltigen Fehler.«
»Glaubst du?«
»Du weißt doch, ich war in Amerika. Ich habe einige Zeit dort gelebt. Die Amerikaner sind sehr auf das Wohlergehen ihrer Geistlichkeit bedacht und messen der Religion einen hohen Stellenwert bei. Und sie mögen es gar nicht, wenn man auf sie spuckt.«
»Du glaubst also, Qian hat Recht? Glaubst du, Amerika wird uns wegen dieser dummen Geschichte kein Geld mehr geben?«
»Das halte ich für sehr gut möglich, ja.«
»Minister Fang findet, wir sollten einen gemäßigteren Kurs einschlagen, um Amerika etwas zu besänftigen. Allerdings hat er das bei der Besprechung nicht gesagt.«
»So? Und warum nicht?«
»Er will nicht zu sehr vom Kurs der anderen Minister abweichen. Du hast doch selbst gesagt, dass die Politiker in Japan Angst haben, nicht gewählt zu werden. Hier bestimmt das Politbüro, wen es aufnimmt, und entsprechend kann es diejenigen, die nicht mehr dazupassen, wieder entlassen. Fang will verständlicherweise seine Position nicht verlieren, und um das zu vermeiden, schlägt er einen vorsichtigen Kurs ein.«
»Für mich ist das schwer nachzuvollziehen, Ming. Nach welchen Gesichtspunkten wählen sie ihre Mitglieder aus? Wie wählen die ›Fürsten‹ den neuen ›Fürsten‹?«
»Oh, da gibt es Parteimitglieder, die sich ideologisch ausgezeichnet haben oder manchmal auch durch besondere Leistungen in ihrem Tätigkeitsbereich. Minister Qian hat zum Beispiel die Arbeiten beim Bau einer Eisenbahnlinie geleitet und wurde deshalb befördert. Aber meistens werden sie aus politischen Gründen ins Politbüro aufgenommen.«
»Und Fang?«
»Mein Minister ist ein alter Genosse. Sein Vater war einer von Maos Getreuen, und Fang war politisch immer zuverlässig. Aber in jüngster Zeit hat er gemerkt, wie gut sich die neuen Industriezweige entwickeln, und er bewundert einige der Leute, die sie führen, sehr. Ab und zu lädt er sogar einige zum Tee und zu Gesprächen in sein Büro ein.«
Ist dieser alte perverse Sack sogar ein Progressiver ?, dachte Nomuri. Na ja, die Messlatte dafür war in China ja auch ziemlich niedrig.
»Ach, dann hat die breite Masse der Bevölkerung also gar nichts zu sagen. Sehe ich das richtig?«
Darüber musste Ming lachen. »Wenn, dann nur bei den Parteiversammlungen, und dort halten alle mit ihrer Meinung hinter dem Berg.«
»Bist du Parteimitglied?«
»Aber ja. Ich gehe einmal im Monat zu den Versammlungen. Ich sitze hinten. Ich nicke, wenn die anderen nicken, und applaudiere, wenn sie applaudieren, und tue so, als würde ich zuhören. Andere hören wahrscheinlich genauer hin. Es ist schon eine gewisse Auszeichnung, Parteimitglied zu sein, aber ich bin es wegen meiner Stelle im Ministerium. Ich habe sie wegen meiner Sprach- und Computer kenntnisse bekommen – und außerdem haben die Minister gern junge Frauen unter sich«, fügte sie hinzu.
»Dann bist du wohl nie auf ihm, wie?«
»Er mag die normale Position lieber, aber für seine Arme ist es ziemlich anstrengend.« Ming kicherte.
Ryan war froh zu erfahren, dass er gründlich genug Zähne geputzt hatte. Der Zahnarzt redete ihm wie immer ins Gewissen, er solle Zahnseide benutzen, und Ryan nickte, ebenfalls wie immer, aber er hatte noch nie in seinem Leben Zahnseide gekauft und würde damit auch jetzt nicht anfangen. Aber wenigstens
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