Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
Gesprächspartner so dumm waren, es nicht anzunehmen. Nein, die Russen waren sehr geschickte Diplomaten und Weltpolitiker. Er hatte es damals, 1978, bedauerlich gefunden, dass ihre fähigen Leute an ein dem Untergang geweihtes politisches System gekettet gewesen waren – denn selbst damals schon hatte Adler den Zusammenbruch der Sowjetunion kommen sehen. Jimmy Carters ›Menschenrechts‹-Proklamation war der geschickteste und am wenigsten gewürdigte außenpolitische Schachzug dieses Präsidenten gewesen, weil er ihrem politischen Imperium den Virus der Fäulnis eingepflanzt und jenen Prozess in Bewegung gesetzt hatte, der ihre Macht in Osteuropa zersetzte und auch ihre eigene Bevölkerung dazu ermutigte, Fragen zu stellen. Damit richtete er den Jackpot ein, den Ronald Reagan weiter aufgestockt hatte – indem er den Einsatz durch die Verstärkung der Verteidigungsmaßnahmen so weit erhöhte, dass die sowjetische Wirtschaft an ihre Grenzen stieß. So konnte George Bush zur Stelle sein, als die Russen die Karten auf den Tisch warfen und sich von dem politischen System lossagten, das bis auf Wladimir Iljitsch Uljanow zurückreichte, Lenin persönlich, den Gründervater, den Gott des Marxismus-Leninismus. Normalerweise war es traurig, wenn ein Gott starb …
… aber nicht in diesem Fall, dachte Adler, während die Moskauer Gebäude am Wagenfenster vorbeiflitzten.
Dann fiel ihm ein, dass es noch solch einen großen, aber falschen Gott gab, Mao Zedong, der noch auf seine endgültige Beerdigung im Müllhaufen der Geschichte wartete. Wann würde es dazu kommen? Würde seine, Adlers, Mission zu dieser Beerdigung beitragen? Nixons Öffnung gegenüber China hatte in einem Maß zum Untergang der Sowjetunion beigetragen, über das sich die Historiker noch immer nicht im Klaren waren. Würde sich ihr letztes Echo im Zusammenbruch der Volksrepublik selbst einholen? Das musste sich erst zeigen.
Der Wagen fuhr durch den Erlöserturm in den Kreml und zum alten Ministerratsgebäude. Dort stieg Adler aus, eilte hinein und fuhr im Lift zu einem Besprechungszimmer im zweiten Stock.
»Willkommen, Herr Minister«, wurde er von Golowko begrüßt. Sergej Nikolaiewitsch war ein Mann von unbestrittenen geistigen Fähigkeiten und einer Offenheit, die unmittelbar daraus erwuchs. Er versuchte herauszufinden, was das Beste für sein Land war. Ein Sucher nach der Wahrheit, dachte der Außenminister. Die Sorte Mensch, mit der er und Amerika leben konnten.
»Vorsitzender Golowko, danke, dass Sie uns so rasch empfangen.«
»Bitte kommen Sie mit, Mr. Adler.« Golowko führte ihn durch eine hohe zweiflügelige Tür in einen Raum, der fast wie ein Thronsaal wirkte. EAGLE konnte sich nicht erinnern, ob dieses Gebäude aus der Zarenzeit stammte. Präsident Eduard Petrowitsch Gruschawoi erwartete ihn. Er war aufgestanden und wirkte ernst, aber freundlich.
»Mr. Adler«, sagte der russische Präsident und reichte dem amerikanischen Außenminister lächelnd die Hand.
»Herr Präsident, es ist mir eine Freude, wieder in Moskau sein zu dürfen.«
»Bitte.« Gruschawoi führte ihn zu einer bequemen Sitzgruppe mit einem niedrigen Tisch. Er war bereits mit Teegeschirr gedeckt, und Golowko übernahm das Ausschenken.
»Danke. Es war für mich schon immer etwas ganz Besonderes, wie in Russland der Tee serviert wird.« Adler rührte um und nahm einen Schluck.
»Und was haben Sie uns mitzuteilen?«, fragte Gruschawoi in passablem Englisch.
»Wir haben Ihnen etwas gezeigt, was für uns Gegenstand ernster Besorgnis geworden ist.«
»Die Chinesen«, erklärte der russische Präsident nickend. Jeder der Anwesenden wusste, worum es ging, aber der Beginn des Gesprächs folgte den Konventionen solcher Gespräche auf höchster Ebene.
»Ja, die Chinesen. Sie scheinen eine Bedrohung des Weltfriedens in Betracht zu ziehen. Amerika möchte jedoch nicht, dass dieser Frieden bedroht wird. Wir alle – Ihr Land und meines – haben hart daran gearbeitet, den Konflikt zu beenden. Mit Dankbarkeit haben wir Russlands Unterstützung bei der Beilegung unserer jüngsten Konflikte zur Kenntnis genommen. Genau so, wie wir vor sechzig Jahren Verbündete waren, hat sich Russland uns gegenüber auch vor kurzem wieder als Verbündeter gezeigt. Amerika ist ein Land, das seine Freunde nicht vergisst.«
Golowko ließ langsam den Atem entweichen. Ja, seine Vorhersage würde sich bewahrheiten. Iwan Emmetowitsch war ein Ehrenmann und ein Freund seines Landes. Was ihm dabei
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